Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

MCKINTY, Gun Street Girl (4/5) LESEN

Mordirland

- 1985. Sean Duffy ermittelt in einem Doppelmord. Der Sohn des ermordeten Ehepaares und zugleich der Hauptverdächtige hat scheinbar Selbstmord begangen. Als auch die Freundin des jungen Mannes tot aufgefunden wird, und weil auch sie sich selbst umgebracht zu haben scheint, erweist sich der Fall schnell verzwickter als gedacht. Weil der junge Verdächtige als Nachwuchswaffenhändler in den Diebstahl eines Raketensystems verwickelt war, sind Duffy und seine Kollegen nun nicht mehr nur auf der Suche nach einem Mörder, sondern gleich in eine Verschwörung verwickelt. Dabei wären die täglichen Unruhen und die Gewalt in den Straßen des zerrütteten Landes genug für die Polizei Nordirlands, die Royal Ulster Constabulary.

Duffys Suche nach der Wahrheit führt ihn nach Oxford, London und Schottland. Aber wo auch immer er hingeht nimmt er den Bürgerkrieg in Nordirland mit sich. Die euphemistisch nur „The Troubles“ bezeichneten Unruhen, Morde, Anschläge und Feindschaften zermürben seit Jahren die Heimat des Katholiken Duffys (einen sehr guten historischen Abriss zum Nordirland-Konflikt bietet die Bundeszentrale für politische Bildung). Im Jahr des „Anglo-irischen Abkommens“ verwebt Autor McKinty wieder konsequent das nordirische Desaster mit der Selbstvernichtung seines Protagonisten: zu Alkohol, Schlägen, Schusswunden und Drogen aller Art kommen diesmal auch profunde Herzschmerzen hinzu. Duffy verliebt sich gleich wieder in mehrere Frauen, von denen nur eine ihm wirklich gut zu tun scheint. Diese alte Bekannte, das Gun Street Girl, bietet ihm einen Ausweg aus der brutalen Tristesse seines Polizeireviers – wird Duffy sich selbst erlösen können?
Belfast in den 1980er Jahren

McKinty steht an der Spitze. Kaum ein Thriller-Autor unserer Tage vereint vergleichbar stimmig klare Krimigrundlagen, persönliche Entwicklungen, kulturelle Referenzen und Liebe zum Detail. Duffy leidet, säuft und blutet seine Fälle. Da das grundlegende Verbrechen im Vergleich zum dritten Teil der Serie nicht ganz so knifflig ist und weil der Roman weit gemächlicher daherkommt als die vorhergehenden, gibt es diesmal einen Stern weniger als die obligatorischen fünf.  

Adrian McKinty, Gun Street Girl, 2015 (Sean Duffy #4).


Bislang erschienen in der Sean Duffy-Reihe:


The Cold Cold Ground
I Hear the Sirens in the Street
In the Morning I'll be Gone

Gun Street GirlRain Dogs
Police at the Station and They Don't Look Friendly


MCKINTY, In the Morning I'll Be Gone (5/5) LESEN

Sean wieder Ärger um Duffy

- Eigentlich passiert hier viel zu viel. Adrian McKintys Reihe um den nord-irischen Ermittler Sean Duffy wird im dritten Teil fortgesetzt durch einen smarten, nahtlosen Plot, der durch das terrorisierte Nord-Irland der 80er mäandert. Die großen Krimiklassiker werden nicht nur zitiert. Mit „In the Morning I’ll Be Gone“ kommt gleich noch ein neuer dazu. Wie das?

The Day I Met the Man
Duffy steht vor einem sogenannten „locked-room mystery“. Er trifft auf der Reise zu seinen Bekannten aus der Vergangenheit den jungen Michael Forsythe (hier zu "Dead I Well May Be") McKinty bringt einen Unfall unter, der ihm als Teenager selbst passierte (so McKinty bei Twitter). Duffy wird vom MI5 angeheuert, erfährt endlich mehr über die mysteriöse Frau, die ihm in „I Hear the Sirens in the Street“ hilfreiche Hinweise gegeben hat. Er jagt einem IRA-Mann nach, der ihn einst nicht als Mitstreiter akzeptieren wollte und er wird wie immer von Alkohol, Frauen und den „troubles“ durchgeschüttelt. Aber der Reihe nach...

McKinty stellt seinen Roman in die lange Liste der sogenannten „locked-room mysteries“, die seit dem 19. Jahrhundert in den Regalen echter Krimiliebhaber stehen. Innerhalb dieses Subgenres geht es darum, einen Todesfall zu erklären, bei dem alle Indizien auf einen Unfall, Selbstmord oder eine natürliche Ursache hindeuten. Wie konnte der Mörder fliehen, wenn der Raum von innen verschlossen war? Wo ist die Tatwaffe, wo der Täter? Vom dressierten Affen bis zur Pistolenkugel aus Eis gibt es vielfache Variationen – einige spannende vor allem von Agatha Christie (z. B. And Then There Were None). Duffy muss sich dem Rätsel stellen, um so den Tod der Tochter einer einflussreichen Republikanerin aufzuklären. Diese wiederum hat ihm als Belohnung versprochen, den Aufenthaltsort und die Pläne ihres Schwiegersohns Dermontt zu verraten…



Dieser Schwiegersohn ist ein alter Bekannter, dem Duffy in seiner Jugend hinterherlief. Doch Dermontt verschmähte damals die Hilfe Duffys, was zu einer von vielen Facetten in dessen kaleidoskopischer Problemkonstellation wurde. Das Finale ist furios, die Verknüpfung mit historischen Ereignissen gelungen. Duffy ist der richtige Mann am richtigen Ort. Und wenn es um den richtigen Ort geht, kennt sich McKinty aus. In diesem Interview hier fährt er mit einem alten 3er-BMW durch die Straßen Berlins: YouTube-Link (Andere Terroristen, anderes Land - aber trotzdem passt die phasenweise Bezeichnung "Baader-Meinhof-Wagen" perfekt zur Stimmung und zum historischen Umfeld von McKintys Duffy-Reihe.)

Duffy Drei sollten alle lesen, die klassische Krimiliteraturrätsel gerne mal in einer modernen hard boiled-Umgebung erleben wollen. Ein optimaler Lesespaß.

Adrian McKinty, In the Morning I’ll Be Gone, 2014(Sean Duffy #3).


CHILD, Night School (2/5)

Try Again

- This Reacher novel is set in the past with Jack Reacher still being a MP with the U. S. Army in the 90s. The World Trade Center attacks of 1993 left a very nervous clandestine services family looking for new ways to encounter new threats. To face these threats three capable men from different law enforcement agencies are brought together in one classroom. What for none of them knows.

CHILD, Make Me (5/5) LESEN

Same same but different

Das Örtchen im Nirgendwo heißt Mother’s Rest. Jack Reacher ist auf dem Weg nach Chicago. Trotzdem entschließt er sich, aus dem Zug zu steigen, als dieser im Örtchen Mother’s Rest Halt macht. Woher stammt der seltsame Name? Es ist nur diese eine Frage, die den hartnäckigen Hartnacken zum Aussteigen bewegt. Und auch im Heartland kennt Reacher nur den Weg, bei dem es mit dem Kopf durch die Wand geht. MAKE ME, der 2015er Titel der Reihe um Reacher, ist in dieser Hinsicht nicht anders als die 19 Vorgänger. "Das Gleiche wie immer", lautete ein Rat des Vaters von Autor Child, "nur ein bisschen anders." Hier hat ein Sohn auf seinen Vater gehört.

WINSLOW, The Cartel (5/5) LESEN

"Hart an der Grenze"
Don Winslows Fortsetzung zum Erfolgsthriller "The Power of the Dog" ist grausam. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahre und deckt den bis dato gewaltsamsten und entsetzlichsten Teil des Drogenkrieges in Mexiko ab. Der verhärmte Drogenfahnder/Kreuzritter Arthur "Art" Keller tritt noch immer gegen den Jefe de jefes, den Boss der Bosse, den Patron Adán Barrera an. Dessen Sinaloa-Kartell liegt mit mehreren Feinden im Clinch, die wiederum ihrerseits der mexikanischen Gesellschaft einen fürchterlichen Krieg erklärt haben.

PARKER, Valediction (3/5)

Die Leiden des alten Spenser

"Am gefährlichsten ist, wer keine Angst vor dem Tod hat. Tödlich ist, wer sterben will."
Im 11. Roman der Reihe um den Bostoner Privatdetektiv Spenser nimmt dieser Abschied von seiner geliebten Susan Silverman. Es ist die tiefste persönliche Krise, in die Parker Spenser bis dato stürzt. Trotz ihrer tiefen gegenseitigen Verbundenheit entscheidet sich Susan, eine Anstellung im fernen Kalifornien anzunehmen. Zum Glück wird es Spenser dank Schießereien, Sekten, Drogenbossen und seiner großen Klappe trotzdem nicht fad.

HARRIS, An Officer and a Spy (3/5)

Zerreißprobe für Frankreich

"Thriller und Geschichtsstunde in einem"
Mit An Officer and a Spy hat Robert Harris einen historischen Roman geschrieben, der ohne viel dichterische Freiheit walten zu lassen, eine fesselnde historische Begebenheit wiedergibt. Jede Figur, ob wichtig oder nichtig, die in dem Roman um die Affäre Dreyfus auftaucht, lebte tatsächlich. Angefangen von Alfred Dreyfuß, der als Offizier der französischen Armee verdächtigt wird, Geheimnisse an die Deutschen verraten zu haben, über Major Henry, Émile Zola, Georges Clemenceau bis zum eigentlichen Verräter Esterhazy waren alle Protagonisten reale Figuren. Die eigentliche Hauptperson aber ist Georges Picquart.

PARKER, Playmates (5/5) LESEN

Gut gespielt, Spenser, gut gespielt

"Wenn den anderen die Spielzüge ausgehen, legt Spenser erst so richtig los."
In Parkers Playmates begleiten wir Spenser bei seinen Ermittlungen rund um das College-Baseballteam seiner Heimatstadt Boston. Spenser wird an ein hiesiges College gerufen. Das Präsidium der Uni vermutet, dass Spiele der Basketballmannschaft verschoben wurden und möchte das nun mit einem außenstehenden Detektiv vorsichtig untersuchen lassen. Doch vorsichtig kann Spenser nicht. Er knöpft sich den vergötterten Coach und den vercoachten Gott der Mannschaft, den Superstar Dwayne Woodcock, vor. Nachdem er beide kräftig durchgeschüttelt hat, erweist sich, dass letzterer gefährliche Freunde hat.

LEVIEN, Where the Dead Lay (5/5) LESEN

Behrsilian Jiu-Jitsu

"Die Qualität von Leviens Thriller ist so rar wie sein Protagonist roh, die Action so kantig wie die Handlung geschmeidig."
Brasilianisches Jiu-Jitsu fasziniert. David Levien ist nicht der einzige Autor, der sich an der wohl effektivsten der legal zu erlernenden Kampfsportarten abarbeitet. In Where the Dead Lay ist sie zentral, denn auch Frank Behr widmet sich der südamerikanischen Melange aus Jiu-Jitsu, Judo und brasilianischer Grazie. Da Behr an sich schon recht grob ist, sorgt das Add-On für noch mehr Wumms. In seinem zweiten Auftritt hat Behr aber auch allerhand Gelegenheit, seine neuen Techniken anzuwenden. Eine Familie junger Berserker, ein toter Freund und Lehrer, eine neue Zukunft mit Susan und der Auftrag einer Sicherheitsfirma sind die wichtigsten Termine, die Levien dem guten Behr in die Agenda geschrieben hat.

HARRIS, The Fear Index (3/5) LESEN

Angst ist ein guter Ratgeber

"Harris legt mit seinem Roman einen quirligen Rundumschlag zu Evolution, Hedgefonds, Kannibalismus und künstlicher Intelligenz hin, der einem guten alten Crichton in nichts nachsteht." 
Genf. Ein Einbrecher dringt in das Haus des Hedgefondsmanagers Alexander Hoffmann ein und schlägt ihn zu Boden. Der Überwältigte ist Physiker (genial) und hat mit seinem Algorithmus VIXAL-4 (noch genialer) eine Software geschaffen, die zunehmend autonom an der Börse spekuliert und so die Millionen ihres Erfinders, von dessen Partnern und den Investoren vervielfacht (ka-tsching). Das steuernde Moment hinter der Software ist die stärkste menschliche Emotion: Angst.