Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...
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Crichton, Rising Sun (3/5)



SAYONARA SMITH-SAN

Außer Atem war nicht nur die blonde Konkubine, die tot auf dem Konferenztisch des japanischen Großkonzerns gefunden wurde. Doch anders als bei ihrer sexuellen Vorliebe stammt die Atemnot von Lieutenant Smith nicht vom würgenden Liebhaber aus Fernost, sondern von den kniffligen Problemen, vor welche ihn der Mord an besagter Schönheit stellt. Smith arbeitet im Los Angeles der frühen 90er Jahre als Kontaktoffizier für Zwischenfälle mit japanischer Beteiligung – hochrangiger und reicher japanischer Beteiligung. Weil dazu auch Morde gehören, erhält er auf 400 Buchseiten einen relativ umfassenden Eindruck von der Gefährdung Amerikas durch japanische Megakonzerne. Die machten, treu ihrem Motto "Geschäft ist Krieg", ernst.

Hol' schon mal den Wagen, Harry! (2/5)

Michael Connelly, Nine Dragons (2009)

Michael Connellys Romanfigur Hieronymus "Harry" Bosch zieht es diesmal nach Hong Kong. Allerdings nur für 39 Stunden. Länger braucht das Mannsbild aus L.A. nicht, um seinen Auftrag dort zu erledigen. Dass dabei wieder zahlreiche Schurken auf der Strecke bleiben, steht außer Frage.

Moment! Hong Kong? War da nicht was? Richtig: Triaden und so. Mitten in die Welt der chinesischen Version der Mafia wird Bosch dabei schon in Kalifornien gezogen. Dank der globalisierten Verbrecherbande aus Fernost entwickelt sich ein zunächst banal erscheinender Fall zum transpazifischen Räuber-und-Gendarm-Spiel für Bosch und seine Kollegen. Connellys Charaktere bleiben den altbekannten Holzschnittmustern durchweg treu. Außergewöhnlich für Boschs Abenteuer ist allein das Ausmaß an Action und Verfolgungsjagden. Noch ungefähr zwei Bücher trennen Connelly von der Chance, sich als Schreiber der Fortsetzung von "Derrick" zu bemühen. Aber halt: Derrick war wenigstens manchmal spannend. Aber auch bei Stefan und Harry wusste man immer schon von Anfang an, wer der Mörder ist.

Ansonsten ist alles an diesem Fall vorhersehbar. Die vierhundertachtzig Seiten warten nur mit einer einzigen Überraschung auf. Genau hier hätte es auch die Chance gegeben, der Geschichte wenigstens einmal die versprochene "persönliche" Note zu geben. Aber? Fehlanzeige. Um die Überraschung nicht zu vermiesen, kann ich hier leider nicht weiter darauf eingehen. Jeder "Nine Dragons"-Leserin sei aber versprochen, dass auch die besagte Situation "Hibernator Hieronymus" zu keiner Gefühlsregung verleiten wird.


Was bleibt, ist ein gutes Mittel, um kurze Busfahrten lang erscheinen zu lassen. Wer mal wieder die Nachttischlampe rechtzeitig ausschalten möchte, muss hier zugreifen.


  • Plot: (2/5)
  • Action: (3/5)
  • Spannung: (1/5)
  • Charaktere: (2/5)
  • Humor: (2/5)
  • PASCH: (2/5)
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Michael Connelly, Nine Dragons
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Vision; Auflage: Reprint (1. August 2010)
ISBN-10: 0446561959


Huston, Haas, Hellwach

Huston, Sleepless (2010)

Hellwach muss man sein, um Charlie Huston bei seiner Parforcejagd durch eine nahe Zukunft folgen zu können. In diesem dritten alleinstehenden Roman des Pulpnoir-Autoren folgen wir Parker Haas, einem moralisch-vorbildlichen Polizisten des LAPD durch die Parallelwelten von Rollenspielern und SLP-Infizierten. SLP ist eine Krankheit bei der die Betroffenen - unter ihnen Haas' Frau - einfach nicht mehr schlafen können. Welche Folgen und vor allem Ursachen das hat, soll hier natürlich nicht verraten werden, ist aber ein zentraler Strang dieses Thrillers.

Huston zeichnet das Leben und die Krankheit der Schlaflosen so, wie er in all seinen Werken die Welt beschreibt: durch seinen einzigartigen Schreibstil, in Erinnerung bleibende Figuren und eine schier überbordende Phantasie. Wer sich die Mühe macht, sich in den Stil Hustons einzulesen, wird nicht enttäuscht sein. Irgendwann erkennt man die auftretenden Protagonisten einfach nur noch an der Art, in der sie sprechen oder auch aufhören zu sprechen.

Für Freunde des Autors Barry Eisler hier noch ein Tipp. In dessen letztem Roman "Inside Out" gibt es eine Anspielung auf einen Profikiller namens Jasper. Jener Jasper hat hier in Sleepless seine eindrucksvolle Premiere, mit der er sich schnell in die Herzen von Killer-Aficionados auf aller Welt morden wird.



Fazit: Wer düstere, sprachlich anspruchsvolle und dabei lakonisch und stimmig gezeichnete Krimis liest, dem sei Charlie Hustons Œuvre wärmstens ans Herz gelegt. Dabei würde ich empfehlen mit der Hank Thompson-Trilogie zu beginnen, um sich mit dem Stil Hustons anzufreunden. Wem dies nicht düster genug ist, der geht über zur Joe Pitt-Reihe und arbeitet sich dann über die beiden alleinstehenden Romane "The Shotgun Rule" und "The Mystic Arts of Erasing All Signs of Death" zu "Sleepless" vor, welches für mich nun unangefochten an der Spitze des Werkes von Huston steht.

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Charlie Huston, Sleepless.
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
Verlag: Orion Audio (1. April 2010)
ISBN-10: 1409114996