Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

Crichton, Rising Sun (3/5)



SAYONARA SMITH-SAN

Außer Atem war nicht nur die blonde Konkubine, die tot auf dem Konferenztisch des japanischen Großkonzerns gefunden wurde. Doch anders als bei ihrer sexuellen Vorliebe stammt die Atemnot von Lieutenant Smith nicht vom würgenden Liebhaber aus Fernost, sondern von den kniffligen Problemen, vor welche ihn der Mord an besagter Schönheit stellt. Smith arbeitet im Los Angeles der frühen 90er Jahre als Kontaktoffizier für Zwischenfälle mit japanischer Beteiligung – hochrangiger und reicher japanischer Beteiligung. Weil dazu auch Morde gehören, erhält er auf 400 Buchseiten einen relativ umfassenden Eindruck von der Gefährdung Amerikas durch japanische Megakonzerne. Die machten, treu ihrem Motto "Geschäft ist Krieg", ernst.



Wie bei Michael Crichton-Romanen üblich (außer bei Pirate Latitudes) führte uns der mittlerweile verstorbene Autor ein gesellschaftliches Problem im Gewand einer mehr (Lost World, Timeline) oder weniger (Prey, State of Fear) spannenden Geschichte vor. Crichtons Thriller folgen stets dem gleichen Muster: Verschiedene Handlungsstränge (mit guten Überraschungen), wissenschaftliche Erläuterungen (im Vorbeigehen), technische Neuerungen (immer im Bereich der Science-Fiction und doch fast schon möglich). Obwohl es dieses Mal deutlich weniger verschiedene Perspektiven gibt, ist die Handlung außergewöhnlich abwechslungsreich. Wirkliche Wendungen geben dem Ganzen im dritten Drittel ein schönes Finish.



Smith wird unterstützt und protegiert von Connor. Der wiederum ist Japan-Experte und ein Freund hochrangiger japanischer Konzernlenker, deren Unternehmen drohen, Los Angeles, Kalifornien und schließlich die USA zu übernehmen. Schließlich, so der Vorwurf, stünde in den USA alles zum Verkauf. Wer könnte es den Männern aus Nippon verdenken einzukaufen?


"Rising Sun" ist ein guter Einblick in die Ängste der USA in den frühen 90er Jahren, als es japanische und nicht arabische Namen waren, die beim Thrillerleser einen wohligen Schauer hervorriefen. Vieles hat sich nicht bewahrheitet. Das Szenario Crichtons ist (aus der 22 Jahre späteren Perspektive wohlgemerkt) übertrieben. Vielleicht liegt es daran, dass „Rising Sun“ manchmal ein bisschen nervt. Wer sich durch das zweite Drittel des Romans geschlagen hat, wird aber mit einigen Überraschungen, guter Action und einem guten Ende entschädigt.

Übrigens: In der Verfilmung ist Snipes Smith und Connery Connor. Besser wird's dadurch jedoch nicht.


  • Plot: 4/5
  • Action 4/5
  • Spannung 4/5
  • Charaktere 3/5
  • Humor 0/5
  • PASCH: 3/5

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Michael Crichton, Rising Sun, 1992