Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

Glukhovsky: Metro 2034 (2/5)

Knallfrosch


Metro 2034 ist der zweite Roman von Dmitry Glukhovsky, der in der postapokalyptischen Welt des Moskauer U-Bahnsystems spielt. In dieser losen Fortsetzung macht sich ein alter Mythensammler, Homer, von der Peripherie des Tunnelsystems auf zu dessen Zentrum. Begleitet wird er vom aggressiven Einzelkämpfer Hunter, der bereits in Metro 2033 eine Rolle gespielt hatte, und dem Mädchen Sascha. Noch immer dient das U-Bahnsystem als Refugium für alle, die den Atomkrieg überlebt haben. Noch immer bedrängen Mutanten und andere Monster die Bewohner der Stationen.


Da die Station des Erzählers Homer vom Rest der U-Bahn-Welt getrennt wurde, muss das Trio zahlreiche Umwege und Monsterköpfe einschlagen, bevor es in die zivilisierteren Bereiche vordringen kann. Homer bemüht sich, seinem Namen alle Ehre zu machen und seine Reise schriftlich festzuhalten. Lange ist unklar, weshalb der Gewaltfanatiker Hunter den schlaffen Frührentner überhaupt mitnimmt.

Leider scheitert der Roman an sämtlichen Messlatten, die sein Vorgänger anbringen konnte. Wo der erste Teil noch mit vielen unterschiedlichen Entwicklungen der Menschen unter der Erde aufwarten konnte, wird die Handlung im zweiten viel zu esoterisch. Auch die Überraschungen und Wendungen von Metro 2033 bleiben aus. Die wenigen gelungenen Actionszenen entschädigen nicht für die Längen des Romans. Die Protagonisten sind langweilig. Lustig wird es an keiner Stelle.

  • Plot: (2/5)
  • Action: (2/5)
  • Spannung: (1/5)
  • Charaktere: (1/5)
  • Humor: (0/5)
  • PASCH: (2/5)

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Dmitry Glukhovsky, Metro 2034
Taschenbuch: 528 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (5. Oktober 2009)
ISBN-10: 3453533011


Child, A Wanted Man (5/5)

Per Anhalter durch die Wand

Jedes Jahr gibt es den Valentinstag. Es gibt die Geburtstage der Kinder, der Eltern und Geschwister und der Ehefrau. Dann sind da noch Weihnachten und Ostern. Und es gibt Reacher-Tag. Heute ist Reacher-Tag.

Hol' schon mal den Wagen, Harry! (2/5)

Michael Connelly, Nine Dragons (2009)

Michael Connellys Romanfigur Hieronymus "Harry" Bosch zieht es diesmal nach Hong Kong. Allerdings nur für 39 Stunden. Länger braucht das Mannsbild aus L.A. nicht, um seinen Auftrag dort zu erledigen. Dass dabei wieder zahlreiche Schurken auf der Strecke bleiben, steht außer Frage.

Moment! Hong Kong? War da nicht was? Richtig: Triaden und so. Mitten in die Welt der chinesischen Version der Mafia wird Bosch dabei schon in Kalifornien gezogen. Dank der globalisierten Verbrecherbande aus Fernost entwickelt sich ein zunächst banal erscheinender Fall zum transpazifischen Räuber-und-Gendarm-Spiel für Bosch und seine Kollegen. Connellys Charaktere bleiben den altbekannten Holzschnittmustern durchweg treu. Außergewöhnlich für Boschs Abenteuer ist allein das Ausmaß an Action und Verfolgungsjagden. Noch ungefähr zwei Bücher trennen Connelly von der Chance, sich als Schreiber der Fortsetzung von "Derrick" zu bemühen. Aber halt: Derrick war wenigstens manchmal spannend. Aber auch bei Stefan und Harry wusste man immer schon von Anfang an, wer der Mörder ist.

Ansonsten ist alles an diesem Fall vorhersehbar. Die vierhundertachtzig Seiten warten nur mit einer einzigen Überraschung auf. Genau hier hätte es auch die Chance gegeben, der Geschichte wenigstens einmal die versprochene "persönliche" Note zu geben. Aber? Fehlanzeige. Um die Überraschung nicht zu vermiesen, kann ich hier leider nicht weiter darauf eingehen. Jeder "Nine Dragons"-Leserin sei aber versprochen, dass auch die besagte Situation "Hibernator Hieronymus" zu keiner Gefühlsregung verleiten wird.


Was bleibt, ist ein gutes Mittel, um kurze Busfahrten lang erscheinen zu lassen. Wer mal wieder die Nachttischlampe rechtzeitig ausschalten möchte, muss hier zugreifen.


  • Plot: (2/5)
  • Action: (3/5)
  • Spannung: (1/5)
  • Charaktere: (2/5)
  • Humor: (2/5)
  • PASCH: (2/5)
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Michael Connelly, Nine Dragons
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Vision; Auflage: Reprint (1. August 2010)
ISBN-10: 0446561959


Meilenstein (5/5)

John L. Parker, Jr., Once a Runner (1978)

Quenton Cassidy ist Läufer. Als sogenannter Miler ist die englische Meile seine Wettkampfdistanz. Zu Beginn des Romans "Once a Runner" ist er im wahrsten Sinne des Wortes auf dem besten Weg, die vier Minuten, eine magische Grenze für alle Miler, zu unterbieten. Immer mehr ordnet Cassidy alles andere in seinem Leben dem Laufen unter. Als Bruce Denton, Goldmedaillengewinner und Cassidys Kommilitone, beginnt, ihm unter die immer dünner werdenenden Arme zu greifen, wird das Trainingspensum des talentierten Milers immer abstruser.

Moment! Steht da im Header nicht "Thriller | Science-Fiction | Historischer Roman"? Was soll denn bitte die Besprechung eines Sportbuches hier? Nun. Kaum ein Thriller birgt derart fesselnde Einsichten in menschliches Leid, wie Parkers Beschreibungen der dritten Runde auf der Tartanbahn. Kein Alien und kein Roboter kann sich selbst so quälen wie Quenton. Darüber hinaus sind seine Leistungen wohl nur als historisch zu beschreiben. Außerdem spielt der Roman in den 1970er Jahren und lässt sich so wahrscheinlich wirklich am besten in der Sparte der historischen Romane verorten.

Zurück zum Thema. "Once a Runner" bietet Einblick in die Psyche des Läufers. Darüber hinaus ist Cassidys Geschichte die eines Menschen, der dem einen Ziel alles unterordnet und der nur antworten kann, dass es keins gibt, wenn ihn jemand nach dem Geheimnis seines Erfolgs fragt. 

3:43,13 Minuten: Das ist die schnellste Zeit, die je ein Mensch über die längste Mittelstreckendistanz, die Meile, gelaufen ist. Eine Meile ist 1609,344 Meter lang. Wer den Selbstversuch wagt, vier Runden im Stadion so schnell wie möglich rennt, seine Zeit stoppt und danach "Once a Runner" liest, wird die Seiten dieses Buches nur noch mit einem umblättern: mit Ehrfurcht.

  • Plot: Wie wird man Miler? (4/5)
  • Action: Ab geht die Post (5/5)
  • Spannung: Vier Runden Himmel und Hölle (3/5)
  • Charaktere: Quenton Cassidy (5/5)
  • Humor: Bleibt nicht auf der Strecke (4/5)
  • PASCH: (5/5)
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John L. Parker, Jr., Once a Runner
Gebundene Ausgabe: 416 Seiten 
Verlag: Delacorte Press (27. September 2011) 
ISBN-10: 0385344325


Strange und Quinn (5/5)

George Pelecanos, Right as Rain (2002)

Vor langer Zeit war Derek Strange Polizist. In seiner Heimatstadt, Washington, DC, arbeitet er nun als Privatdetektiv. "Right as Rain" führt Strange und Terry Quinn zusammen. Quinn ist ebenfalls ein Washingtoner Urgestein; wenngleich ein jüngeres. Auch er ist ehemaliger Polizist. Quinn hing seine Uniform jedoch an den Nagel, nachdem er einen Mann erschossen hatte, der sich ihm gegenüber nicht als Polizist zu erkennen gegeben hatte. Strange ermittelt im Auftrag der Mutter des Erschossenen, die verzweifelt nach Gerechtigkeit sucht. Die Geschichte spielt im Washington der Neunzigerjahre, das mehr Moloch als Machtzentrale ist. So weit, so klar.

Hier die zusätzlichen Informationen: Strange ist schwarz, Quinn weiß. Der Mann, den Quinn erschoss, war schwarz und beugte sich mit einer Waffe über einen Weißen.

Als Strange und Quinn sich besser kennenlernen, gewinnen sie so viel Vertrauen zueinander, dass Quinn schließlich bei den Ermittlungen Stranges mithilft. Ziel ist es nun, die Ungereimtheiten aufzuklären, die sich immer noch um besagte Todesnacht drehen. Zwar war Quinn von jeglichen Vorwürfen befreit worden (alles sei 'right as rain' gelaufen). Dennoch nagt die Nacht noch immer am Westernfan Quinn. Sein Gewissen scheint nicht rain... äh... rein zu sein.

Nebenbei werden Strange und Quinn immer weiter in die Tiefen der Welt der Drogenabhängigen und Drogendealer gezogen. Quinn und Strange kämpfen beide mit ihren jeweiligen rassistischen Vorurteilen. Sie leugnen sie, fallen ihnen zum Opfer und suchen einen Weg, damit umzugehen. Jede Seite dieses Buches nimmt ein Klischee auf, hält es dem Leser vor Augen und fordert ihn auf Stellung dazu zu beziehen.

Eingebettet sind all die Themen, die Rassismus, Drogen und Gesellschaft streifen, in einen von George Pelecanos wunderbar solide gestalteten Krimi-Plot. Neben interessanten und tiefgründigen Charakteren hält die Geschichte auch glaubwürdige Schurken, hervorragende Schilderungen von Washingtons Problemvierteln und hintergründigen Humor für ihre Leser bereit. Schmankerl sind die Verweise auf Westernklassiker, sei es als Buch, Film oder Filmmusik. Am Ende ist auch dies wieder eine Variation des Westernthemas komplett mit erfahrenem Gunslinger, heißblütigem Cowboy und finaler Schießerei. 
  • Plot: (5/5)
  • Action: (5/5)
  • Spannung: (3/5)
  • Charaktere: (5/5)
  • Humor: (4/5)
  • PASCH: (5/5)
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George Pelecanos, Right as Rain
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Grand Central Publishing (1. Februar 2002)
ISBN-10: 0446610798

Grenzwertig gut (4/5)

Sebastian Rotella, Triple Crossing (2011)

Sebastian Rotella hat mit "Triple Crossing" einen Thriller geschrieben, der im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko seinen Ausgang hat. Im Gefolge von Valentine Pescatore zeichnet der Roman ein Bild der Situation in Mexiko, die gezeichnet ist von Drogenhandel, Bestechung und Gewalt.

Valentine Pescatore, seines Zeichens Polizist bei der Grenzpatrouille auf Seiten der USA, gerät im Verlauf der Geschichte immer tiefer in den Sumpf zwischen Mexico City und Washington DC. Immer wieder blitzen Rotellas umfassende Kenntnisse des Drogenhandels in Nord-, Mittel- und Südamerika auf. Verpackt wird diese eigentlich schulbuchmäßige Einführung in den traurigen Alltag lateinamerikanischer Emigranten in einen stellenweise mitreißenden Thriller. Pescatore wandelt zwischen den Welten, wird Undercover-Agent und muss sich in einer Bande mexikanischer Gangster beweisen.

Messen muss sich "Triple Crossing" allerdings mit "The Power of the Dog" von Don Winslow (The Power of the Dog. (Arrow)). In diesem Vergleich zieht Rotellas Roman den Kürzeren. Die Charaktere können mit denen in Winslow Epos nicht mithalten. Die Story ist berechenbarer und der Handlungsfluss stockt an einigen Stellen deutlich.

Pescatore ist in einem Moment eiskalt und im nächsten bemitleidenswert. Isabel Puente ist zu perfekt, zu hübsch, zu sexy. Die wirklichen Highlights sind die zwei Bodyguards des mexikanischen "Elliot Ness" Mendez. Arthos und Porthos sind die beiden grummeligen no-nonsense Caballeros, die alles dafür tun, dass ihr Boss am Leben bleibt.

Wer sich für Drogenhandel, Schmuggler und die dunkle Seite des Alltags in Mexiko und Südamerika (besonders Paraguay) interessiert und von Don Winslow schon alles ausgelesen hat, sollte zu diesem Thriller greifen. Alle anderen fangen besser bei "The Power of the Dog" an, gehen dann über zu "Savages" (der jetzt auch im Kino läuft - unbedingt gucken) und schauen, ob sie der Sache gewachsen sind.
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    Sebastian Rotella, Triple Crossing.
    Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
    Verlag: Mulholland Books; Auflage: 1 (10. August 2011)
    ISBN-10: 0316105309

    Reacher to go (5/5)

    Lee Child, Deep Down (2012)

    Mit einer Kurzgeschichte verkürzt uns Lee Child die Wartezeit auf das nächste große Abenteuer mit Jack Reacher. Wie bereits in The Affair spielt die Geschichte in der Vergangenheit von Reacher. Zwischen seinen Stationierungen in Frankfurt und Korea beordert ihn die Army 1986 nach Washington. Hier soll der smarte Haudrauf einen Verräter enttarnen; oder besser gesagt eine Verräterin. Denn der Kreis der Verdächtigen ist ein rein weiblicher.

    In DC angekommen wird Reacher selbstverständlich gebrieft. Dabei erinnert die Unterhaltung mit seinem Auftraggeber, Colonel Cornelius Christopher, stark an die wunderbaren Dialoge mit Reachers Mentor Garber. Dass später an Action nicht gespart wird, dass die ein oder andere Nase dem Ellenbogen des heimatlosen Hünen zerschellt, dass Reacher alles durchschaut, blitzschnell rechnet, seine innere Uhr am Start hat und handelt bevor es andere tun, ist nicht zu viel verraten.

    Diese Reacher-Story ist ein großer Genuss für zwischendurch, ein Muss für jede Reacher creature und ein leichter Einstieg für all die armen Leute, die Reacher noch nicht kennen. Nach drei Vierteln des Kindle-Dokuments ist der Spaß leider schon wieder vorbei. Dafür gibt es einen Teaser zum kommenden Abenteuer mit Reacher (A Wanted Man (Jack Reacher)), das ihn nach zwei Jahren endlich nach Virginia führt, wo schlimme Schurken Menschen um Ecken bringen, um die zufällig Reacher kurvt und wo bereits eine attraktive Frau darauf wartet, dem Charme des Ex-MPs zu erliegen.
    • Plot: Knackig (4/5)
    • Action: Knackend (5/5)
    • Spannung: Knifflig (4/5)
    • Charaktere: Colonel Cornelius Christopher (4/5)
    • Humor: Knochentrocken (5/5)
    • PASCH: (5/5)

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    Lee Child, Deep Down
    Format: Kindle Edition
    Dateigröße: 306 KB
    Seitenzahl der Print-Ausgabe: 52 Seiten
    Verlag: Transworld Digital (16. Juli 2012)
    ASIN: B008DVVLYW

    Das Schnarchen des Kaisers (2/5)

    Gisbert Haefs, Die Rache des Kaisers (2009)


    Die Rache des Kaisers ist der zwölfte historische Roman von Gisbert Haefs. Dessen Werk füllt mittlerweile etliche Regalmeter und reicht von Science-Fiction über Krimis bis eben zu jenen historischen Romanen, mit denen er seit Jahren die Strandtaschen zahlloser Touristen füllt. Troja, Hannibal und Alexander setzten Maßstäbe im Genre und haben den ein oder anderen erst zum Leser historischer Wälzer bekehrt. Aber heißt das, dass Haefs sich selbst nicht mehr an diese Maßstäbe halten muss? Es scheint so. Denn die Geschichte um Jakob Spengler ist ein lieb- und lebloser historischer Roman.

    Spenglers Odyssee durch das Europa des frühen 16. Jahrhunderts beginnt damit, dass seine Familie und sein Dorf abgeschlachtet werden. Er beobachtet das Gemetzel, prägt sich die Gesichter der Mörder ein, wird von einem Araber adoptiert, lernt kämpfen und die Welt kennen, wird reich, wird arm, ist bei einigen der wichtigsten historischen Ereignisse seiner Zeit dabei, findet alle Mörder, verliert ein paar Freunde und Frauen, findet aber neue, rächt sich an allen und ist am Ende fein raus. Wie's halt so läuft. Schema F lässt grüßen.

    Statt wie gewohnt mit Hintergründen und seiner eigenen Logik (in seinem Roman Troja waren es z.B. die wirtschaftlichen Gründe, die zum Krieg führten und nicht die schöne Helena) zu glänzen, greift Haefs hier nur an der Oberfläche die großen Tendenzen der Zeit auf. Die Verteidigung Wiens gegen die Türken, die Bauernkriege, Martin Luthers Wirken und das der Fugger und Welser sind die Eckpunkte der "Handlung". Als Spengler kurz vor Schluss noch einmal eben nach Amerika fährt, dort schnell einen der Gejagten richtet und samt Eingeborenen wieder nach Europa kommt, wird es einem eigentlich schon zu viel. Obwohl einige Kampfszenen gut gelungen sind, mangelt es doch an so wichtigen Aspekten wie Glaubwürdigkeit, Spannung, Wendungen, Perspektivwechseln. Die Rache des Kaisers ist ein historischer Roman. Aber kein guter. Haefs hat Eisenbahnschienen ausgelegt, den Zug "Jakob Spengler" draufgesetzt, den Autopiloten programmiert und per Knopfdruck den Zug abfahren lassen. In zehn Jahren wird es eine Software geben, die bessere Bücher schreibt.

    • Plot: Autopilot (2/5)
    • Action: Autsch (3/5)
    • Spannung: Augenwischerei (1/5)
    • Charaktere: Autisten (2/5)
    • Humor: Ausgenommen (0/5)
    • PASCH: (2/5)

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    Gisbert Haefs, Die Rache des Kaisers (2009)
    Taschenbuch: 416 Seiten
    Verlag: Goldmann Verlag (16. Mai 2011)
    ISBN-10: 3442475430


    Kronos, King und Kennedy (5/5)

    Stephen King, 11/22/63 (2011)

    Was wäre gewesen, wenn John F. Kennedy am 22. November 1963 nicht ermordet worden wäre? Dies ist eine der Fragen, von denen Stephen Kings Zeitreiseroman 11/22/63 lebt. Dazu kommen die für Zeitreisegeschichten üblichen Vermutungen über die Konsequenzen von Veränderungen in der Vergangenheit. Kann man den Lauf der Geschichte beeinflussen? Wie wirken sich Eingriffe in die Geschehnisse der Vergangenheit aus? Und warum sollten alle Vergangenheitstouristen unbedingt den Schmetterlingseffekt im Hinterkopf behalten?

    Der Roman beginnt im hier und heute. Der Lehrer Jake Epping ist mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden. Als Al Templeton, der Inhaber eines alten Diners, eines Tages Jake in das Geheimnis eines unglaublichen Phänomens in dessen Vorratskammer einweiht, ändert sich für Jake alles. Fortan spielen erst Al und Jake mit den Möglichkeiten, die ihnen eine wundersame Verbindung zur Vergangenheit bietet, herum. Sie retten Familien vor mörderischen Vätern und Mädchen vor Jagdunfällen.

    Kings Zeitreise basiert auf einer Art Blase, in der die beiden unterschiedlichen Zeiten, 2011 und 1958 miteinander verbunden sind. Nachdem Al bereits verstanden hat, wie man die Gegenwart manipulieren kann (und wo man konkurrenzlos billig Burgerfleisch besorgen kann), überzeugt er Jake, zu einer weit größeren Mission aufzubrechen. Präsident Kennedy soll vor seinem Attentäter Oswald gerettet und der schwarze Tag von Dallas revidiert werden: „Get rid of one wretched waif, buddy, and you could save millions of lives.“

    Leider führt der Tunnel in die Vergangenheit immer nur zu einem spezifischen Datum und so muss Jake, der in der Vergangenheit zu George Amberson wird, fast fünf Jahre seine Mission vorbereiten. Al sei Dank kann er dabei nicht nur auf minutiöse Unterlagen zum Leben Lee Oswalds zurückgreifen, sondern auch auf das ein oder andere Sportresultat. Mit Wetten lässt sich bequem Geld verdienen. Das wusste auch schon Marty McFly. Dass man jedoch nach zu auffälligen Wettgewinnen Ärger mit der Mafia bekommt, musste dieser nicht erfahren.

    King hat einen guten Zeitreiseroman geschrieben. An vielen Stellen fließt Nostalgie nach den 50er und 60er Jahren aus den Seiten. Fast alles war anders, vieles besser, manches schlimmer (der von Giftefeu gesäumte Pfad zum Brett über dem Fluß). Die Geschichte ist klar strukturiert, das Ende (sonst nicht Kings Stärke) erstaunlich gut. Es gibt leider nur wenige Überraschungen, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Neben dem Oberschurken Oswald tummeln sich noch andere böse Gestalten und Albträume durch das Land des Gewesenen. Dazu kommt ein erstaunlich trockener und böser Humor, der einem über die ein oder andere Länge hinweghilft.

    Zeit ist zentral; auch was die Länge des Buches betrifft. Mit Seiten hat King noch nie gespart. 11/22/63 ist trotzdem ein schnell zu verschlingendes, spannendes und intelligentes Buch. Für Freunde der gepflegten Zeitreise ist Jake Eppings Abenteuer ein Genuss – nicht nur in der Urlaubszeit.

    P.S.: Hintergrundinfos zum Verreisen entlang des Zeitstrahls bietet übrigens: Blask u. Windhorst, Zeitreisen, 2009.

    • Plot: Klar und gut (4/5)
    • Action: Einziger Schwachpunkt (2/5)
    • Spannung: Wie die Zeit vergeht! (5/5)
    • Charaktere: Epping rettet JFK vor LHO (5/5)
    • Humor: Zeit zu lachen (5/5)
    • PASCH: (5/5)
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    Stephen King, 11/22/63.
    Format: Kindle Edition
    Dateigröße: 1280 KB
    Seitenzahl der Print-Ausgabe: 866 Seiten
    ISBN-Quelle für Seitenzahl: B0064I1KGA
    Verlag: Hodder (5. Juli 2012)
    ASIN: B005LCYR7Y


    Nebenjob Vampirjäger (3/5)

    Seth Grahame-Smith, Abraham Lincoln: Vampire Hunter (2011)

    "Abraham Lincoln: Vampire Hunter" ist eine fiktive Ergänzung zur Biographie Abraham Lincolns. Die Geschichte entwickelt sich entlang des Lebenslaufs des 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Was viele nicht wussten: Abraham Lincoln war Zeit seines Lebens Vampirjäger.

    Wie er dazu wurde und was für Methoden er anwendete (die berühmte Axt des "rail splitters" etwa), verknüpft Autor Seth Grahame-Smith interessant und an vielen Stellen innovativ mit der gesicherten Überlieferung des Lebens von "Old Abe". Die Geschichte lebt von der guten Idee, die dem Roman zugrundeliegt. Das Gerüst der beschriebenen Geschehnisse ist unterhaltend und an vielen Stellen erscheint die Erklärung, dass an der einen oder anderen Stelle Vampire ins Räderwerk der amerikanischen Geschichte eingegriffen haben, recht plausibel. Leider gelingt es Grahame-Smith nicht, dieses Gerüst mit der Spannung und Liebe zu füllen, die seiner Grundidee innewohnt. Wie auch bei "Pride and Prejudice and Zombies" fasziniert zwar der Gedanke, dass gruselige und geheime Gestalten im Hintergrund Einfluss ausübten. Leider ist die Story jedoch an vielen Stellen zu langatmig und zu beschreibend geraten. Den größten Aha-Effekt hatte ich eigentlich schon beim Lesen der Buchbeschreibung. Was zwischen den Buchdeckeln passiert, kommt da leider nicht mehr ran.

    Klar: Auf jedes beliebige Ereignis in Lincolns Leben lässt sich die Erklärung mit den Vampiren im Hintergrund nicht anwenden. Das heißt aber nicht, dass jedes Ereignis, auf das sich die Erklärung anwenden lässt, unbedingt verwertet werden muss. Ein paar größere Sprünge, ein paar längere Pausen hätten der Dramaturgie gut getan. Dadurch hätten zum Beispiel weniger Auseinandersetzungen mit Vampiren geschildert werden können diese aber dann dafür aber umso intensiver. Die wunderbare Grundidee wäre dadurch nicht verloren gegangen.

    Was bleibt ist ein schönes Crossover für alle, die sich für die Geschichte der Vereinigten Staaten interessieren, die Vampirgeschichten etwas abgewinnen können und die einen Faible für gut konstruierte Verschwörungstheorien haben. Was dem nächsten Roman von Grahame-Smith (Washington der Werwolf? Franklin und die Aliens?) gerne noch hinzugefügt werden darf, sind bessere Dialoge, spannendere Actionszenen und ein etwas weniger linearer Verlauf der Erzählung.

    Die Verfilmung des Buchs kommt noch in diesem Jahr in die Kinos. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Spielberg-Produktion, in der Liam Neeson Lincoln mimen wird.

    • Plot: Verschwörung (3/5)
    • Action: Vampire (3/5)
    • Spannung: vage (2/5)
    • Charaktere: Vampire (4/5)
    • Humor: Vitzig (3/5)
    • PASCH: (3/5)

    P.S.: Die besten Romane mit Vampiren sind und bleiben damit die Bücher der Joe Pitt-Reihe von Charlie Huston. Der ist eh der beste.
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    Seth Grahame-Smith, Abraham Lincoln: Vampire Hunter
    Taschenbuch: 352 Seiten
    Verlag: Grand Central Publishing (15. März 2011)
    ISBN-10: 1455500224