Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

SIMMONS, Darwin's Blade, (3/5)

Gut8er Dar tut sich schwar

Darwin "Dar" Minor ist Gutachter. Sobald ein Unfall geschieht, dessen Hergang nicht ohne weiteres rekonstruiert werden kann, wird er aus seinem kalifornischen Bett geklingelt. Jet-Turbinen am aufgemotzten Teenager-Flitzer oder erstickte Zoowärter: Dar ist der Sherlock Holmes der Unfallstelle. 

Die analytischen Fähigkeiten des brillanten Mannes werden unterstrichen durch seinen guten Autogeschmack, seine schöne Inneneinrichtung und seinen Atombunker unter seiner im Wald versteckten Hütte. Daneben ist der Mann, der seine Familie bei einem tragischen Unfall verlor, auch noch Vietnamveteran und ehemaliger Scharfschütze. Fehlte nur noch, dass er auch wortgewandt und an der griechischen Philosophie der Stoiker interessiert wäre. Was? Ist er auch? Na, dann kann die hübsche Ermittlerin ja kommen, um mit ihm gemeinsam Verbrechen auf- und Betten abzudecken.


Die Machenschaften der klassischen Versicherungsbetrüger und Unfallartisten, die auf Kosten anderer kleine Unfälle verursachen, werden seit einigen Jahren durch organisierte Verbrecherbanden übernommen. Hinter der Fassade des erfolgreichen Anwalts hält ein skrupelloser Möchtegern-Cowboy die Fäden in der Hand. Auch der Tod der Verursacher der fingierten Karambolagen ficht den schlimmen Finger nicht an. Doch es gibt immer einen der besser oder, besser gesagt, schlechter ist. Denn des Schurken Geschäfte werden nun von russischen Killern übernommen, die als erstes gerne Dar um die Ecke bringen würden. Doch der entkommt ihnen mehrmals. Eine Task Force wird installiert, ihre Undercover-Leute massakriert. Maulwürfe werden ent- und Dar getarnt. Und schon steht der ehemalige Scharfschütze wieder im Feld. Die finale Schießerei erinnert an die Höhepunkte in den Reacher-Romanen. Auch Jack schießt schließlich sehr gut, muss sich meist alleine durchschlagen (war wenigstens nicht mehr in Vietnam dabei, wirkt trotzdem alt). Das ist auch bei Simmons alles sehr berechenbar.

Dan Simmons kann Science-Fiction, Grusel, Literaturwissenschaft und auch Thriller, weil er ein Großer unter den Bibliophilen ist. Leider ist das auch der Störfaktor in "Darwin’s Blade". Dar ist zu belesen, der Erzähler streut zu viele zu gescheite, ja selbstverliebte, Nebenkommentare ein. Die Story ist zu schematisch. Die Belehrungen und Erkenntnisse des Protagonisten wirken steril und unpassend. Dars Beruf, die schrulligen seiner Anlagen (wie etwa sein Grammatik-Asperger) und die Charaktere, die im Roman auftauchen – Larry (Verzeihung, Lawrence) und Trudy – sind unverwechselbar und sorgen für Highlights. Das Kapitel mit dem Dschungelrückblick zur Schlacht um Dalat und den vietnamesischen Kernreaktor erinnert, auch wegen ihrer Vergeblichkeit – an die Schlacht bei den Thermopylen (Simmons erwähnt im Nachwort explizit Steven Pressfield, der den maßgeblichen Roman dazu verfasst hat). Mehr davon und eine stärkere Fokussierung auf weniger Charaktere und Nebenschauplätze hätten aus den Komponenten, die für sich genommen stark sind, einen Topthriller gemacht. So bleibt der Eindruck, dass die Komposition nicht stimmt.


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Plot: 2/5
Action: 4/5
Spannung: 2/5
Charaktere: 4/5
Humor: 3/5

PASCH: 3/5

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Dan Simmons, Darwin's Blade, 2013