Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

CHILD, Make Me (5/5) LESEN

Same same but different

Das Örtchen im Nirgendwo heißt Mother’s Rest. Jack Reacher ist auf dem Weg nach Chicago. Trotzdem entschließt er sich, aus dem Zug zu steigen, als dieser im Örtchen Mother’s Rest Halt macht. Woher stammt der seltsame Name? Es ist nur diese eine Frage, die den hartnäckigen Hartnacken zum Aussteigen bewegt. Und auch im Heartland kennt Reacher nur den Weg, bei dem es mit dem Kopf durch die Wand geht. MAKE ME, der 2015er Titel der Reihe um Reacher, ist in dieser Hinsicht nicht anders als die 19 Vorgänger. "Das Gleiche wie immer", lautete ein Rat des Vaters von Autor Child, "nur ein bisschen anders." Hier hat ein Sohn auf seinen Vater gehört.

WINSLOW, The Cartel (5/5) LESEN

"Hart an der Grenze"
Don Winslows Fortsetzung zum Erfolgsthriller "The Power of the Dog" ist grausam. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahre und deckt den bis dato gewaltsamsten und entsetzlichsten Teil des Drogenkrieges in Mexiko ab. Der verhärmte Drogenfahnder/Kreuzritter Arthur "Art" Keller tritt noch immer gegen den Jefe de jefes, den Boss der Bosse, den Patron Adán Barrera an. Dessen Sinaloa-Kartell liegt mit mehreren Feinden im Clinch, die wiederum ihrerseits der mexikanischen Gesellschaft einen fürchterlichen Krieg erklärt haben.

PARKER, Valediction (3/5)

Die Leiden des alten Spenser

"Am gefährlichsten ist, wer keine Angst vor dem Tod hat. Tödlich ist, wer sterben will."
Im 11. Roman der Reihe um den Bostoner Privatdetektiv Spenser nimmt dieser Abschied von seiner geliebten Susan Silverman. Es ist die tiefste persönliche Krise, in die Parker Spenser bis dato stürzt. Trotz ihrer tiefen gegenseitigen Verbundenheit entscheidet sich Susan, eine Anstellung im fernen Kalifornien anzunehmen. Zum Glück wird es Spenser dank Schießereien, Sekten, Drogenbossen und seiner großen Klappe trotzdem nicht fad.

HARRIS, An Officer and a Spy (3/5)

Zerreißprobe für Frankreich

"Thriller und Geschichtsstunde in einem"
Mit An Officer and a Spy hat Robert Harris einen historischen Roman geschrieben, der ohne viel dichterische Freiheit walten zu lassen, eine fesselnde historische Begebenheit wiedergibt. Jede Figur, ob wichtig oder nichtig, die in dem Roman um die Affäre Dreyfus auftaucht, lebte tatsächlich. Angefangen von Alfred Dreyfuß, der als Offizier der französischen Armee verdächtigt wird, Geheimnisse an die Deutschen verraten zu haben, über Major Henry, Émile Zola, Georges Clemenceau bis zum eigentlichen Verräter Esterhazy waren alle Protagonisten reale Figuren. Die eigentliche Hauptperson aber ist Georges Picquart.

PARKER, Playmates (5/5) LESEN

Gut gespielt, Spenser, gut gespielt

"Wenn den anderen die Spielzüge ausgehen, legt Spenser erst so richtig los."
In Parkers Playmates begleiten wir Spenser bei seinen Ermittlungen rund um das College-Baseballteam seiner Heimatstadt Boston. Spenser wird an ein hiesiges College gerufen. Das Präsidium der Uni vermutet, dass Spiele der Basketballmannschaft verschoben wurden und möchte das nun mit einem außenstehenden Detektiv vorsichtig untersuchen lassen. Doch vorsichtig kann Spenser nicht. Er knöpft sich den vergötterten Coach und den vercoachten Gott der Mannschaft, den Superstar Dwayne Woodcock, vor. Nachdem er beide kräftig durchgeschüttelt hat, erweist sich, dass letzterer gefährliche Freunde hat.

LEVIEN, Where the Dead Lay (5/5) LESEN

Behrsilian Jiu-Jitsu

"Die Qualität von Leviens Thriller ist so rar wie sein Protagonist roh, die Action so kantig wie die Handlung geschmeidig."
Brasilianisches Jiu-Jitsu fasziniert. David Levien ist nicht der einzige Autor, der sich an der wohl effektivsten der legal zu erlernenden Kampfsportarten abarbeitet. In Where the Dead Lay ist sie zentral, denn auch Frank Behr widmet sich der südamerikanischen Melange aus Jiu-Jitsu, Judo und brasilianischer Grazie. Da Behr an sich schon recht grob ist, sorgt das Add-On für noch mehr Wumms. In seinem zweiten Auftritt hat Behr aber auch allerhand Gelegenheit, seine neuen Techniken anzuwenden. Eine Familie junger Berserker, ein toter Freund und Lehrer, eine neue Zukunft mit Susan und der Auftrag einer Sicherheitsfirma sind die wichtigsten Termine, die Levien dem guten Behr in die Agenda geschrieben hat.

HARRIS, The Fear Index (3/5) LESEN

Angst ist ein guter Ratgeber

"Harris legt mit seinem Roman einen quirligen Rundumschlag zu Evolution, Hedgefonds, Kannibalismus und künstlicher Intelligenz hin, der einem guten alten Crichton in nichts nachsteht." 
Genf. Ein Einbrecher dringt in das Haus des Hedgefondsmanagers Alexander Hoffmann ein und schlägt ihn zu Boden. Der Überwältigte ist Physiker (genial) und hat mit seinem Algorithmus VIXAL-4 (noch genialer) eine Software geschaffen, die zunehmend autonom an der Börse spekuliert und so die Millionen ihres Erfinders, von dessen Partnern und den Investoren vervielfacht (ka-tsching). Das steuernde Moment hinter der Software ist die stärkste menschliche Emotion: Angst.

LEONARD, Riding the Rap (3/5)

Entspannter Elmore

Elmore Leonards Riding the Rap erzählt eine Episode aus dem abwechslungsreichen Leben des Deputy US Marshal Raylan Givens. Der ist mal wieder auf der Suche nach Harry Arno. Dem hatte er schon einmal beigestanden (Pronto). Der ehemalige Buchmacher Harry treibt momentan Wettgelder ein, um sich zur Ruhe zu setzen. Einer seiner Schuldner hat jedoch nicht vor, seine Schulden zu bezahlen. Ihm stehen ein ehemaliger Arabian Bahamian, ein schießlustiger Puerto Ricaner und ein Medium bei. Was könnte ein Autor wie Leonard aus dieser Konstellation machen?

LEVIEN, City of the Sun (4/5) LESEN

Behrenstark

In einer Reihe mit den wirklichen Badboys des Genres steht der von David Levien erdachte Frank Behr. Reacher, Parker, Spenser, Rain – Behr. Nachdem sein Sohn bei einem schrecklichen Unfall ums Leben kam und seine einst vielversprechende Karriere bei der Polizeitruppe von Indianapolis jäh endete, wurde Behr Privatdetektiv. Als von inneren Qualen gezeichneter Mann ist es nun an ihm, einem Elternpaar dabei zu helfen, das mysteriöse Verschwinden ihres Sohns aufzuklären.

CLANCY, Debt of Honor (3/5) LESEN

Ryan müsst man sein

1994. Die USA feiern das Ende des Kalten Kriegs mit der einvernehmlichen Zerstörung ihrer und der sowjetischen Interkontinentalraketen. Nachdem der amerikanische Kongress zugleich als Subventionspaket für die heimische Industrie Importen aus Japan empfindliche Restriktionen auferlegt, greift in Japan der skrupellose Konzernchef Razio Yamata in die Geschicke und das Schicksal seines Landes ein. Sein Schwur nach Rache an den Amerikanern, die einst seine Familie von der Insel Saipan vertrieben, lässt ihm jedes Mittel recht erscheinen, um den USA an mehreren Fronten den Krieg zu erklären. Nach einem Angriff auf den Aktienmarkt und der Eroberung einiger Pazifikinseln stellt er das Militär und die Wirtschaft der Vereinigten Staaten auf ihre erste schwere Probe nach dem Ende des Kalten Kriegs.

Sean Duffy trifft James Bond in Zehlendorf

Adrian McKinty - Lesung in Berlin

James Bond liest Sean Duffy. Gestern Abend stellte der nord-irisch-stämmige und mittlerweile in Australien lebende Adrian McKinty den dritten Teil seiner Sean Duffy-Tetralogie im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf vor. Die deutsche Version, hier von Suhrkamp in großer Mannzahl stolz präsentiert, las Dietmar Wunder, der ansonsten Daniel Craig seine Stimme leiht.

LEONARD, Raylan (4/5) LESEN

Kentucky's Finest

Nach einem Vorfall in Florida wurde Marshal Raylan Givens in seinen Heimatstaat Kentucky versetzt. Das Buch "Raylan" versammelt mehrere, eng miteinander verwobene Episoden seines Dienstes und Lebens hier im Bluegrass State.

SIMMONS, Darwin's Blade, (3/5)

Gut8er Dar tut sich schwar

Darwin "Dar" Minor ist Gutachter. Sobald ein Unfall geschieht, dessen Hergang nicht ohne weiteres rekonstruiert werden kann, wird er aus seinem kalifornischen Bett geklingelt. Jet-Turbinen am aufgemotzten Teenager-Flitzer oder erstickte Zoowärter: Dar ist der Sherlock Holmes der Unfallstelle. 

Die analytischen Fähigkeiten des brillanten Mannes werden unterstrichen durch seinen guten Autogeschmack, seine schöne Inneneinrichtung und seinen Atombunker unter seiner im Wald versteckten Hütte. Daneben ist der Mann, der seine Familie bei einem tragischen Unfall verlor, auch noch Vietnamveteran und ehemaliger Scharfschütze. Fehlte nur noch, dass er auch wortgewandt und an der griechischen Philosophie der Stoiker interessiert wäre. Was? Ist er auch? Na, dann kann die hübsche Ermittlerin ja kommen, um mit ihm gemeinsam Verbrechen auf- und Betten abzudecken.


Die Machenschaften der klassischen Versicherungsbetrüger und Unfallartisten, die auf Kosten anderer kleine Unfälle verursachen, werden seit einigen Jahren durch organisierte Verbrecherbanden übernommen. Hinter der Fassade des erfolgreichen Anwalts hält ein skrupelloser Möchtegern-Cowboy die Fäden in der Hand. Auch der Tod der Verursacher der fingierten Karambolagen ficht den schlimmen Finger nicht an. Doch es gibt immer einen der besser oder, besser gesagt, schlechter ist. Denn des Schurken Geschäfte werden nun von russischen Killern übernommen, die als erstes gerne Dar um die Ecke bringen würden. Doch der entkommt ihnen mehrmals. Eine Task Force wird installiert, ihre Undercover-Leute massakriert. Maulwürfe werden ent- und Dar getarnt. Und schon steht der ehemalige Scharfschütze wieder im Feld. Die finale Schießerei erinnert an die Höhepunkte in den Reacher-Romanen. Auch Jack schießt schließlich sehr gut, muss sich meist alleine durchschlagen (war wenigstens nicht mehr in Vietnam dabei, wirkt trotzdem alt). Das ist auch bei Simmons alles sehr berechenbar.

Dan Simmons kann Science-Fiction, Grusel, Literaturwissenschaft und auch Thriller, weil er ein Großer unter den Bibliophilen ist. Leider ist das auch der Störfaktor in "Darwin’s Blade". Dar ist zu belesen, der Erzähler streut zu viele zu gescheite, ja selbstverliebte, Nebenkommentare ein. Die Story ist zu schematisch. Die Belehrungen und Erkenntnisse des Protagonisten wirken steril und unpassend. Dars Beruf, die schrulligen seiner Anlagen (wie etwa sein Grammatik-Asperger) und die Charaktere, die im Roman auftauchen – Larry (Verzeihung, Lawrence) und Trudy – sind unverwechselbar und sorgen für Highlights. Das Kapitel mit dem Dschungelrückblick zur Schlacht um Dalat und den vietnamesischen Kernreaktor erinnert, auch wegen ihrer Vergeblichkeit – an die Schlacht bei den Thermopylen (Simmons erwähnt im Nachwort explizit Steven Pressfield, der den maßgeblichen Roman dazu verfasst hat). Mehr davon und eine stärkere Fokussierung auf weniger Charaktere und Nebenschauplätze hätten aus den Komponenten, die für sich genommen stark sind, einen Topthriller gemacht. So bleibt der Eindruck, dass die Komposition nicht stimmt.


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Plot: 2/5
Action: 4/5
Spannung: 2/5
Charaktere: 4/5
Humor: 3/5

PASCH: 3/5

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Dan Simmons, Darwin's Blade, 2013