Thrillerkolumne

Thriller ohne Leserstrahlen ist wie Spenser ohne Boston, Behr ohne Indianapolis, Reacher ohne Army, Rain ohne Judo, Parker ohne Plan, Bolitar ohne Win, Forsythe ohne Whisky, McGee ohne Florida, Hank ohne Baseball, Duffy ohne Beemer...

Simmons, Olympos (3/5)

Weiter geht's im Calibanigalopp...

Olympos ist die Fortsetzung des Science-Fiction-William-Shakespeare-Homer-Proust-Fantasy-Romans Ilium (Ilium. (Gollancz SF) (Gollancz) (GollanczF.)). Dan Simmons nimmt hierin die etwas unordentlich liegengelassenen Fäden des Vorgängers wieder auf und gibt sein Bestes, sie sinnvoll zu verknüpfen. Das gelingt ihm mit vielen aber nicht mit allen. Allerdings wird die wilde Fahrt, die zum Ende von Ilium aufgenommen wurde, zunächst nicht aufrechterhalten.

Zu Beginn der Geschichte ist der Krieg der Menschen gegen die Götter in vollem Gange. Die vereinigten Truppen der Griechen und Trojaner erhalten bitter benötigte Hilfe von den Moravecs, jenen androidenartigen Wesen, die schon im ersten Teil auftauchten. Jedoch bricht bald der Zwist zwischen den beiden ursprünglich verfeindeten menschlichen Gruppen schnell wieder aus und diese Geschichte nimmt eine unerwartete aber nicht überraschende Wendung...

Im zweiten Handlungsstrang geraten die Menschen auf der richtigen Erde (der Krieg der antiken Helden gegen den vereinigten olympischen Pantheon findet ja auf dem terra-geformten Mars statt) derweil mächtig unter Druck. Die Voynix, "the artists formerly known as Menschendiener", die nun Menschenkiller sind, drohen die letzten Reste der Menschheit zu vernichten. Apropos Voynix, ihr Name basiert auf dem Voynich-Manuskript (The Voynich Manuscript: The Mysterious Code That Has Defied Interpretation for Centuries), das wohl genauso rätselhaft ist wie die Herkunft und die Ziele der Roboter mit Grashüpferfunktionen. Das Manuskript kann man sich auch komplett und in guter Auflösung online auf den Seiten der Yale University anschauen. Dies ist nur ein kleines Beispiel für die vielen Details, Andeutungen und Zitate, die die den eigentlichen Reiz auch dieses Werkes von Simmons ausmachen. Das bereitet teilweise so viel Freude, dass man ihm die ein oder andere Länge, manche nicht aufgelöste Rätsel oder nicht fortgesetzte Teilgeschichten (was ist z.B. mit Patrokles?) verzeiht.

In einer solch kurzen Rezension den vielen Facetten, Querverweisen und schönen Ideen gerecht zu werden, ist einem Sterblichen leider nicht gegeben. Deswegen konzentriere ich mich auf die Begründung für die Sternvergabe.

Den ersten Stern gibt es aus meiner persönlichen Perspektive für die Kunst, so viele verschiedene Themen, Konzepte und Ideen zu vereinen. An anderer Stelle (war es im Vorwort?) hat Simmons den Ursprung dieser Gabe erläutert: Er habe als Kind kein Problem damit gehabt, Spielzeugsoldaten gemeinsam mit Dinosauriern gegen Cowboyfiguren antreten zu lassen. Seiner Phantasie hat diese Vorbereitung keinen Abbruch getan.

Stern Nummer zwei - wieder subjektiv - erhält Olympos für seine Länge. Für seine Länge? Ja. Auch wenn das ab und zu bemängelt wird, gehört es für mich zu so einem Wälzer dazu, dass er eben dick ist. Die Geschichte entfaltet sich und dazu braucht es nun einmal Platz. Wenn Simmons nur die Actionszenen aneinandergekittet hätte, hätte es einen knalligen, aber eben keinen so zum Versinken einladenden, Roman gegeben. Und sonst wär's ja auch keine Space Opera, sondern ein Sommer- und kein lauschiger Herbstroman. So nämlich.

Den dritten Stern haben sich Mahnmut und Orphu of Io (letzterer besonders hart) erarbeitet. Ihre Dialoge und vor allem ihre Freundschaft gehören für mich in die gleiche Liga wie die zwischen Frodo und Sam oder Mike und Manuel Garcia O'Kelly (The Moon is a Harsh Mistress (S.F. Masterworks)).

Dabei bleibt es aber auch. Die schon in anderen Rezensionen erwähnten rassistischen, anti-muslimischen Andeutungen und Verweise Simmons' nerven am Ende doch zu gewaltig. Und auch wenn die ausufernde Geschichte mir Spaß gemacht hat, stört es mich, dass am Ende einige wichtige Dinge nicht mal andeutungsweise aufgeklärt werden. Damit bleibt es bei drei Sternen und der wichtigen Warnung, die ja manchmal nicht zutrifft, die aber bei Olympos definitiv angebracht ist: Dieser Roman kann nicht verstanden werden, wenn man vorher nicht Ilium, also den ersten Teil, gelesen hat.
 
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Dan Simmons, Olympos.
912 Seiten
ISBN: 0575078820
Verlag: HarperCollins e-books (13. Oktober 2009)

LEVIEN, Thirteen Million Dollar Pop (4/5)

Mehr von Behr

David Levien hält an Frank Behr fest. Gott sei Dank. Der werdende Vater Behr hat sich mittlerweile in einer Sicherheitsfirma, die auch Politiker beschützt, vermeintlich mit seinem neuen, verantwortungsvollen Leben arrangiert. Bis jemand den Fehler macht und mit einer automatischen Waffe in seine Richtung schießt. Eine neue Erfahrung für Behr, der gleich feststellt, dass er kein Fan von dieser Art der Begrüßung ist.

Von da an fehlt es nicht mehr an solider Action und guter alter Detektivarbeit. Behr ermittelt auf eigene Faust, die in der Folge auch das eine oder andere Mal durch die Gegend fliegt.

Ein Genuss ist auch der wunderbar lakonische Schreibstil Leviens. Erst dieser trockene Stil macht Behr zu einem wirklichen Aspiranten für die Hall of Fame der toughen Jungs. Auch positiv und hart erarbeitet: Die zahlreichen, guten Actionszenen, bei denen kein Auge trocken und keine Nase unblutig bleibt, verdienen Respekt. Wie sich das gehört, hat es besonders das Finale in sich.

Trotzdem klingelt die PASCH-Glocke nicht. Trotz gegenläufiger Meinung der Zeitschrift "Indianapolis Star" auf dem Buchdeckel finde ich den Plot des Buches nicht so überragend. Die Fronten sind relativ schnell klar, die Beteiligten an der Verschwörung erkennbar. Da auch das jedoch zur grundsoliden und ehrlichen Action des Romans beiträgt, kann ich Leviens neuestes Werk nur wärmstens empfehlen.
  • Plot: (3/5) 
  • Action: (4/5) 
  • Spannung: (4/5) 
  • Charaktere: (5/5) 
  • Humor: (4/5) 
  • PASCH: (4/5)
Was mir besonders gut gefallen hat, war in diesem Fall Behrs Antagonist. Ein guter Schurke hat noch so manchen Thriller gerettet. In diesem Fall haben wir es mit einem fiesen Waliser zu tun. Ähnlich wie Behr wird auch dieser langsam älter, leistet sich aber trotzdem keine Fehler. Er allein pimpt die C-Komponente der PASCH-Skala von "13 Million Dollar Pop".

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David Levien, Thirteen Million Dollar Pop.
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Doubleday (9. August 2011)
ISBN-10: 0385532539



Simmons, Ilium (5/5)

Menelaos, Myrmidonen und Moravec Mahnmut

"Ilium" habe ich zufällig entdeckt und es war damals mein erster Roman von Dan Simmons. Mich hat die Idee gereizt, die Ilias mit Science Fiction zu kombinieren, griechische Helden mit Raumfahrt und Androiden mit klassischer Literatur. Das große Aber war für mich von Anfang an, dass bei solchen Geschichten die Idee meist spannender ist als die tatsächliche Umsetzung. Hier aber ist es fast umgekehrt. Drei verschiedene Erzählpfade werden intelligent entwickelt und teilweise miteinander verwoben. Der Aufbau hat mich an die besseren Romane von Michael Crichton (The Lost World, Timeline, ja, wirklich) erinnert, bei denen getrennt voneinander und aus verschiedenen Perspektiven die gleiche Geschichte erzählt wird.

Ich-Erzähler und wahrscheinlich wichtigster Protagonist ist Professor Hockenberry, ein Homer-Forscher aus unserer Zeit. Zugegeben, jetzt wird's ein bisschen wild. Ist aber so: Er berichtet für die Götter live von den Geschehnissen bei der Belagerung des antiken Trojas. Immer tiefer gerät er in die Welt und die Intrigen der Götter, die das Schicksal der Menschen nicht nur beobachten, sondern auch zu einem guten Teil beeinflussen. Wie genau er in seine Situation geraten ist, weiß er über lange Strecken des Romans nicht. Klar scheint aber zu sein, dass er von den Göttern wiederbelebt wurde und dabei sein Gedächtnis zum größten Teil verlor. 

Die zweite Geschichte handelt parallel von einer Gruppe Maschinen und Androiden, die von den Jupitermonden aus aufbrechen, um eine wichtige Mission auf dem Mars auszuführen. Mahnmut, einer der Moravecs (eine Form künstlicher Intelligenz benannt nach dem österreichisch-amerikanischen Theoretiker Hans Moravec: Robot: Evolution from Mere Machine to Transcendent Mind) ist Shakespeare-Liebhaber und offenbart in harmonisch eingebauten Geschichten immer wieder seine grundlegende Kenntnis und seine große Liebe zum Barden. 

Der dritte Handlungspfad spielt auf der postapokalyptischen Erde, wo die Menschen vollkommen unbeschwert aber auch gedankenlos vor sich hinleben. Bis sie eines Tages von einigen Neugierigen und einigen Außenseitern aus ihrer Lethargie gerissen werden.

Das alles ist so unbeschwert und balanciert miteinander kombiniert, dass es mir wirklich Spaß gemacht hat, die Andeutungen und Querverweise zu entdecken, von denen Simmons reichlich Gebrauch macht. Beispiel: Mahnmuts bester Freund, Orphu of Io, ist Proust-Liebhaber. In seinen Gesprächen mit Mahnmut während ihrer gemeinsamen Mission (die wiederum sehr an Frodos und Sams Abenteuer erinnert) lernt man mehr über Prousts Werk und entdeckt immer neue Anspielungen an die großen Autoren, die sich in "Ilium" verstecken und Pate für einige der dort verwendeten Ideen standen.



Was mir an Simmons erstem Teil seines Ilim/Olympos-Zweiteilers merkwürdig aufgestoßen ist

Aus der Perspektive des Ich-Erzählers Hockenberry wird ein Angriff auf Troja an einer Stelle mit den terroristischen Attacken vom 11. September und (noch gravierender) mit der Greul in Auschwitz in eine Reihe gestellt. Das wirkt ebenso befremdlich wie die besondere Rolle, die den Juden in der Geschichte auf der post-apokalyptischen Erde zuteil kommt. In einem Abstecher der Abenteurer nach Jerusalem wird etwas mehr über die Besonderheit der Juden gesprochen, die nicht nur Opfer muslimischen Hasses wurden, sondern auch durch eine (genetische?) Eigenart ein spezielles Schicksal erlitten. Die Stellen sind kurz und nicht so gravierend für das weitere Geschehen, dass es mich vom Weiterlesen abgehalten hat. Sollte sich hinter diesen kuriosen Schilderungen ein verqueres Weltbild des Autors verstecken? Ich habe mich dafür entschieden, mit Simmons in diesen Punkten nicht übereinzustimmen. Genauso wie ich mit H.G. Wells (Er schildert immer wieder das Tabu, schwarze Soldaten einzusetzen, z.B. in: Wenn der Schläfer erwacht: Roman) und Jules Verne (die Schilderung des afroamkerikanischen Dieners Nab, den er als Affen beschreibt: The Mysterious Island (Wordsworth Classics)) teilweise nicht übereinstimme, wenn diese von der Unterlegenheit asiatischer und afrikanischer Menschen sprechen. Auch sie hätten es schon besser wissen können.

In "Ilium" kann man eintauchen und sich verlieren. Die ausgeflippten Ideen des Autors und die wahnwitzigen Kombinationen, über die man immer wieder stolpert, ergeben irgendwann doch einen Sinn. Dieser Roman bietet eine neue Version der Ilias, stellt Zukunftsvisionen und technische Träume dar, hat gruselige und schockierende Momente und macht einfach nur Spaß.

  • Plot: (5/5)
  • Action: (5/5)
  • Spannung: (5/5)
  • Charaktere: (4/5)
  • Humor: (4/5)
  • PASCH: (4/5)
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Dan Simmons, Ilium
Taschenbuch: 642 Seiten
Verlag: Gollancz; New Ed (1. März 2004)
ISBN-10: 0575075600




Heinlein, The Moon Is A Harsh Mistress (4/5)

Es ist angerichtet!

Mit "The Moon Is A Harsh Mistress" schmeißt Küchenchef Robert A. Heinlein alle Revolutionen der jüngeren Menschheitsgeschichte in einen Topf und lässt sie 384 Seiten lang köcheln. Gewürzt wird die Mischung mit Theorien zu interstellarem Handel, künstlicher Intelligenz und völlig ungewohnten Geschlechterrollen. Serviert wird das Gericht dann vom einarmigen, stoischen und libertär angehauchten Oberkellner Manuel.

Die Bewohner des Mondes, die sich selbst Loonies nennen, kämpfen in diesem Science Fiction-Roman um ihre Unabhängigkeit von der Erde. Genauer gesagt möchten sie sich von dem Konglomerat lossagen, das den Handel zwischen Mond und Erde kontrolliert und das die Loonies ausbeutet. Die politische Landschaft der Erde ist mittlerweile völlig verändert. Obwohl Heinlein auf die neue Situation dort nur am Rande eingeht, findet sie sich im Einklang mit anderen seiner Bücher.

Die wohl wertvollste Unterstützung erhalten die Mondbewohner (alles ehemalige Sträflinge oder deren Abkömmlinge) von dem eigentlichen Protagonisten des Romans: dem Computer Mike (a.k.a. Mycroft Holmes, ein augenzwinkernder Verweis auf den genialen Bruder Sherlocks), der erst ein eigenes Bewusstsein erlangte und sich dann mit Manuel anfreundete. Gemeinsam bilden sie einen Teil der Zelle, die schließlich dafür verantwortlich ist, dass die offene Rebellion auf dem Mond ausbricht.

Wie in gelungener Science Fiction üblich zeigt der Roman das Bild einer Gesellschaft, die gerade weit genug von unserer entfernt ist, um noch die Parabel verstehen zu können. "The Moon Is A Harsh Mistress" ist eines dieser Bücher, das man mehrmals im Leben liest, ohne zweimal die gleichen Schlüsse daraus zu ziehen. Ich erinnere mich, es als Jugendlicher gelesen zu haben. Damals gefiel mir die Idee des Katapults, mit dem die Mondernte (und so manches mehr) auf die Erde geschossen werden. Die Actionszenen waren mir allerdings zu spärlich gesät und/oder nicht spannungsgeladen genug. Als ich den Roman aber nun zum zweiten Mal las, sprang mir besonders die Gesellschaftsvorstellung der zentralen Mondrebellen rund um Manuel ins Auge. Ihre politischen Überzeugungen (TANSTAAFL) und ihre Methoden (Organisation von subversiven Zellen) habe ich mittlerweile in mehreren Werken Heinleins wiedergefunden und ich bin schon gespannt, was ich entdecke, wenn ich das nächste Mal "The Moon Is A Harsh Mistress" lese.

  • Plot: Erde vs Mond(4/5)
  • Action: Mond vs Erde (4/5)
  • Spannung: Revolution! (4/5)
  • Charaktere: Manuel & Mycroft (5/5)
  • Humor: OMG, Mycroft! (4/5)
  • PASCH: (4/5)

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Robert A. Heinlein, The Moon Is A Harsh Mistress (1966)
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Orb Books; Auflage: TOR. (30. September 2007)
ISBN-10: 0312863551


Glukhovsky: Metro 2034 (2/5)

Knallfrosch


Metro 2034 ist der zweite Roman von Dmitry Glukhovsky, der in der postapokalyptischen Welt des Moskauer U-Bahnsystems spielt. In dieser losen Fortsetzung macht sich ein alter Mythensammler, Homer, von der Peripherie des Tunnelsystems auf zu dessen Zentrum. Begleitet wird er vom aggressiven Einzelkämpfer Hunter, der bereits in Metro 2033 eine Rolle gespielt hatte, und dem Mädchen Sascha. Noch immer dient das U-Bahnsystem als Refugium für alle, die den Atomkrieg überlebt haben. Noch immer bedrängen Mutanten und andere Monster die Bewohner der Stationen.


Da die Station des Erzählers Homer vom Rest der U-Bahn-Welt getrennt wurde, muss das Trio zahlreiche Umwege und Monsterköpfe einschlagen, bevor es in die zivilisierteren Bereiche vordringen kann. Homer bemüht sich, seinem Namen alle Ehre zu machen und seine Reise schriftlich festzuhalten. Lange ist unklar, weshalb der Gewaltfanatiker Hunter den schlaffen Frührentner überhaupt mitnimmt.

Leider scheitert der Roman an sämtlichen Messlatten, die sein Vorgänger anbringen konnte. Wo der erste Teil noch mit vielen unterschiedlichen Entwicklungen der Menschen unter der Erde aufwarten konnte, wird die Handlung im zweiten viel zu esoterisch. Auch die Überraschungen und Wendungen von Metro 2033 bleiben aus. Die wenigen gelungenen Actionszenen entschädigen nicht für die Längen des Romans. Die Protagonisten sind langweilig. Lustig wird es an keiner Stelle.

  • Plot: (2/5)
  • Action: (2/5)
  • Spannung: (1/5)
  • Charaktere: (1/5)
  • Humor: (0/5)
  • PASCH: (2/5)

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Dmitry Glukhovsky, Metro 2034
Taschenbuch: 528 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (5. Oktober 2009)
ISBN-10: 3453533011


Child, A Wanted Man (5/5)

Per Anhalter durch die Wand

Jedes Jahr gibt es den Valentinstag. Es gibt die Geburtstage der Kinder, der Eltern und Geschwister und der Ehefrau. Dann sind da noch Weihnachten und Ostern. Und es gibt Reacher-Tag. Heute ist Reacher-Tag.

Hol' schon mal den Wagen, Harry! (2/5)

Michael Connelly, Nine Dragons (2009)

Michael Connellys Romanfigur Hieronymus "Harry" Bosch zieht es diesmal nach Hong Kong. Allerdings nur für 39 Stunden. Länger braucht das Mannsbild aus L.A. nicht, um seinen Auftrag dort zu erledigen. Dass dabei wieder zahlreiche Schurken auf der Strecke bleiben, steht außer Frage.

Moment! Hong Kong? War da nicht was? Richtig: Triaden und so. Mitten in die Welt der chinesischen Version der Mafia wird Bosch dabei schon in Kalifornien gezogen. Dank der globalisierten Verbrecherbande aus Fernost entwickelt sich ein zunächst banal erscheinender Fall zum transpazifischen Räuber-und-Gendarm-Spiel für Bosch und seine Kollegen. Connellys Charaktere bleiben den altbekannten Holzschnittmustern durchweg treu. Außergewöhnlich für Boschs Abenteuer ist allein das Ausmaß an Action und Verfolgungsjagden. Noch ungefähr zwei Bücher trennen Connelly von der Chance, sich als Schreiber der Fortsetzung von "Derrick" zu bemühen. Aber halt: Derrick war wenigstens manchmal spannend. Aber auch bei Stefan und Harry wusste man immer schon von Anfang an, wer der Mörder ist.

Ansonsten ist alles an diesem Fall vorhersehbar. Die vierhundertachtzig Seiten warten nur mit einer einzigen Überraschung auf. Genau hier hätte es auch die Chance gegeben, der Geschichte wenigstens einmal die versprochene "persönliche" Note zu geben. Aber? Fehlanzeige. Um die Überraschung nicht zu vermiesen, kann ich hier leider nicht weiter darauf eingehen. Jeder "Nine Dragons"-Leserin sei aber versprochen, dass auch die besagte Situation "Hibernator Hieronymus" zu keiner Gefühlsregung verleiten wird.


Was bleibt, ist ein gutes Mittel, um kurze Busfahrten lang erscheinen zu lassen. Wer mal wieder die Nachttischlampe rechtzeitig ausschalten möchte, muss hier zugreifen.


  • Plot: (2/5)
  • Action: (3/5)
  • Spannung: (1/5)
  • Charaktere: (2/5)
  • Humor: (2/5)
  • PASCH: (2/5)
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Michael Connelly, Nine Dragons
Taschenbuch: 480 Seiten
Verlag: Vision; Auflage: Reprint (1. August 2010)
ISBN-10: 0446561959


Meilenstein (5/5)

John L. Parker, Jr., Once a Runner (1978)

Quenton Cassidy ist Läufer. Als sogenannter Miler ist die englische Meile seine Wettkampfdistanz. Zu Beginn des Romans "Once a Runner" ist er im wahrsten Sinne des Wortes auf dem besten Weg, die vier Minuten, eine magische Grenze für alle Miler, zu unterbieten. Immer mehr ordnet Cassidy alles andere in seinem Leben dem Laufen unter. Als Bruce Denton, Goldmedaillengewinner und Cassidys Kommilitone, beginnt, ihm unter die immer dünner werdenenden Arme zu greifen, wird das Trainingspensum des talentierten Milers immer abstruser.

Moment! Steht da im Header nicht "Thriller | Science-Fiction | Historischer Roman"? Was soll denn bitte die Besprechung eines Sportbuches hier? Nun. Kaum ein Thriller birgt derart fesselnde Einsichten in menschliches Leid, wie Parkers Beschreibungen der dritten Runde auf der Tartanbahn. Kein Alien und kein Roboter kann sich selbst so quälen wie Quenton. Darüber hinaus sind seine Leistungen wohl nur als historisch zu beschreiben. Außerdem spielt der Roman in den 1970er Jahren und lässt sich so wahrscheinlich wirklich am besten in der Sparte der historischen Romane verorten.

Zurück zum Thema. "Once a Runner" bietet Einblick in die Psyche des Läufers. Darüber hinaus ist Cassidys Geschichte die eines Menschen, der dem einen Ziel alles unterordnet und der nur antworten kann, dass es keins gibt, wenn ihn jemand nach dem Geheimnis seines Erfolgs fragt. 

3:43,13 Minuten: Das ist die schnellste Zeit, die je ein Mensch über die längste Mittelstreckendistanz, die Meile, gelaufen ist. Eine Meile ist 1609,344 Meter lang. Wer den Selbstversuch wagt, vier Runden im Stadion so schnell wie möglich rennt, seine Zeit stoppt und danach "Once a Runner" liest, wird die Seiten dieses Buches nur noch mit einem umblättern: mit Ehrfurcht.

  • Plot: Wie wird man Miler? (4/5)
  • Action: Ab geht die Post (5/5)
  • Spannung: Vier Runden Himmel und Hölle (3/5)
  • Charaktere: Quenton Cassidy (5/5)
  • Humor: Bleibt nicht auf der Strecke (4/5)
  • PASCH: (5/5)
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John L. Parker, Jr., Once a Runner
Gebundene Ausgabe: 416 Seiten 
Verlag: Delacorte Press (27. September 2011) 
ISBN-10: 0385344325


Strange und Quinn (5/5)

George Pelecanos, Right as Rain (2002)

Vor langer Zeit war Derek Strange Polizist. In seiner Heimatstadt, Washington, DC, arbeitet er nun als Privatdetektiv. "Right as Rain" führt Strange und Terry Quinn zusammen. Quinn ist ebenfalls ein Washingtoner Urgestein; wenngleich ein jüngeres. Auch er ist ehemaliger Polizist. Quinn hing seine Uniform jedoch an den Nagel, nachdem er einen Mann erschossen hatte, der sich ihm gegenüber nicht als Polizist zu erkennen gegeben hatte. Strange ermittelt im Auftrag der Mutter des Erschossenen, die verzweifelt nach Gerechtigkeit sucht. Die Geschichte spielt im Washington der Neunzigerjahre, das mehr Moloch als Machtzentrale ist. So weit, so klar.

Hier die zusätzlichen Informationen: Strange ist schwarz, Quinn weiß. Der Mann, den Quinn erschoss, war schwarz und beugte sich mit einer Waffe über einen Weißen.

Als Strange und Quinn sich besser kennenlernen, gewinnen sie so viel Vertrauen zueinander, dass Quinn schließlich bei den Ermittlungen Stranges mithilft. Ziel ist es nun, die Ungereimtheiten aufzuklären, die sich immer noch um besagte Todesnacht drehen. Zwar war Quinn von jeglichen Vorwürfen befreit worden (alles sei 'right as rain' gelaufen). Dennoch nagt die Nacht noch immer am Westernfan Quinn. Sein Gewissen scheint nicht rain... äh... rein zu sein.

Nebenbei werden Strange und Quinn immer weiter in die Tiefen der Welt der Drogenabhängigen und Drogendealer gezogen. Quinn und Strange kämpfen beide mit ihren jeweiligen rassistischen Vorurteilen. Sie leugnen sie, fallen ihnen zum Opfer und suchen einen Weg, damit umzugehen. Jede Seite dieses Buches nimmt ein Klischee auf, hält es dem Leser vor Augen und fordert ihn auf Stellung dazu zu beziehen.

Eingebettet sind all die Themen, die Rassismus, Drogen und Gesellschaft streifen, in einen von George Pelecanos wunderbar solide gestalteten Krimi-Plot. Neben interessanten und tiefgründigen Charakteren hält die Geschichte auch glaubwürdige Schurken, hervorragende Schilderungen von Washingtons Problemvierteln und hintergründigen Humor für ihre Leser bereit. Schmankerl sind die Verweise auf Westernklassiker, sei es als Buch, Film oder Filmmusik. Am Ende ist auch dies wieder eine Variation des Westernthemas komplett mit erfahrenem Gunslinger, heißblütigem Cowboy und finaler Schießerei. 
  • Plot: (5/5)
  • Action: (5/5)
  • Spannung: (3/5)
  • Charaktere: (5/5)
  • Humor: (4/5)
  • PASCH: (5/5)
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George Pelecanos, Right as Rain
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: Grand Central Publishing (1. Februar 2002)
ISBN-10: 0446610798

Grenzwertig gut (4/5)

Sebastian Rotella, Triple Crossing (2011)

Sebastian Rotella hat mit "Triple Crossing" einen Thriller geschrieben, der im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko seinen Ausgang hat. Im Gefolge von Valentine Pescatore zeichnet der Roman ein Bild der Situation in Mexiko, die gezeichnet ist von Drogenhandel, Bestechung und Gewalt.

Valentine Pescatore, seines Zeichens Polizist bei der Grenzpatrouille auf Seiten der USA, gerät im Verlauf der Geschichte immer tiefer in den Sumpf zwischen Mexico City und Washington DC. Immer wieder blitzen Rotellas umfassende Kenntnisse des Drogenhandels in Nord-, Mittel- und Südamerika auf. Verpackt wird diese eigentlich schulbuchmäßige Einführung in den traurigen Alltag lateinamerikanischer Emigranten in einen stellenweise mitreißenden Thriller. Pescatore wandelt zwischen den Welten, wird Undercover-Agent und muss sich in einer Bande mexikanischer Gangster beweisen.

Messen muss sich "Triple Crossing" allerdings mit "The Power of the Dog" von Don Winslow (The Power of the Dog. (Arrow)). In diesem Vergleich zieht Rotellas Roman den Kürzeren. Die Charaktere können mit denen in Winslow Epos nicht mithalten. Die Story ist berechenbarer und der Handlungsfluss stockt an einigen Stellen deutlich.

Pescatore ist in einem Moment eiskalt und im nächsten bemitleidenswert. Isabel Puente ist zu perfekt, zu hübsch, zu sexy. Die wirklichen Highlights sind die zwei Bodyguards des mexikanischen "Elliot Ness" Mendez. Arthos und Porthos sind die beiden grummeligen no-nonsense Caballeros, die alles dafür tun, dass ihr Boss am Leben bleibt.

Wer sich für Drogenhandel, Schmuggler und die dunkle Seite des Alltags in Mexiko und Südamerika (besonders Paraguay) interessiert und von Don Winslow schon alles ausgelesen hat, sollte zu diesem Thriller greifen. Alle anderen fangen besser bei "The Power of the Dog" an, gehen dann über zu "Savages" (der jetzt auch im Kino läuft - unbedingt gucken) und schauen, ob sie der Sache gewachsen sind.
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    Sebastian Rotella, Triple Crossing.
    Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
    Verlag: Mulholland Books; Auflage: 1 (10. August 2011)
    ISBN-10: 0316105309

    Reacher to go (5/5)

    Lee Child, Deep Down (2012)

    Mit einer Kurzgeschichte verkürzt uns Lee Child die Wartezeit auf das nächste große Abenteuer mit Jack Reacher. Wie bereits in The Affair spielt die Geschichte in der Vergangenheit von Reacher. Zwischen seinen Stationierungen in Frankfurt und Korea beordert ihn die Army 1986 nach Washington. Hier soll der smarte Haudrauf einen Verräter enttarnen; oder besser gesagt eine Verräterin. Denn der Kreis der Verdächtigen ist ein rein weiblicher.

    In DC angekommen wird Reacher selbstverständlich gebrieft. Dabei erinnert die Unterhaltung mit seinem Auftraggeber, Colonel Cornelius Christopher, stark an die wunderbaren Dialoge mit Reachers Mentor Garber. Dass später an Action nicht gespart wird, dass die ein oder andere Nase dem Ellenbogen des heimatlosen Hünen zerschellt, dass Reacher alles durchschaut, blitzschnell rechnet, seine innere Uhr am Start hat und handelt bevor es andere tun, ist nicht zu viel verraten.

    Diese Reacher-Story ist ein großer Genuss für zwischendurch, ein Muss für jede Reacher creature und ein leichter Einstieg für all die armen Leute, die Reacher noch nicht kennen. Nach drei Vierteln des Kindle-Dokuments ist der Spaß leider schon wieder vorbei. Dafür gibt es einen Teaser zum kommenden Abenteuer mit Reacher (A Wanted Man (Jack Reacher)), das ihn nach zwei Jahren endlich nach Virginia führt, wo schlimme Schurken Menschen um Ecken bringen, um die zufällig Reacher kurvt und wo bereits eine attraktive Frau darauf wartet, dem Charme des Ex-MPs zu erliegen.
    • Plot: Knackig (4/5)
    • Action: Knackend (5/5)
    • Spannung: Knifflig (4/5)
    • Charaktere: Colonel Cornelius Christopher (4/5)
    • Humor: Knochentrocken (5/5)
    • PASCH: (5/5)

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    Lee Child, Deep Down
    Format: Kindle Edition
    Dateigröße: 306 KB
    Seitenzahl der Print-Ausgabe: 52 Seiten
    Verlag: Transworld Digital (16. Juli 2012)
    ASIN: B008DVVLYW

    Das Schnarchen des Kaisers (2/5)

    Gisbert Haefs, Die Rache des Kaisers (2009)


    Die Rache des Kaisers ist der zwölfte historische Roman von Gisbert Haefs. Dessen Werk füllt mittlerweile etliche Regalmeter und reicht von Science-Fiction über Krimis bis eben zu jenen historischen Romanen, mit denen er seit Jahren die Strandtaschen zahlloser Touristen füllt. Troja, Hannibal und Alexander setzten Maßstäbe im Genre und haben den ein oder anderen erst zum Leser historischer Wälzer bekehrt. Aber heißt das, dass Haefs sich selbst nicht mehr an diese Maßstäbe halten muss? Es scheint so. Denn die Geschichte um Jakob Spengler ist ein lieb- und lebloser historischer Roman.

    Spenglers Odyssee durch das Europa des frühen 16. Jahrhunderts beginnt damit, dass seine Familie und sein Dorf abgeschlachtet werden. Er beobachtet das Gemetzel, prägt sich die Gesichter der Mörder ein, wird von einem Araber adoptiert, lernt kämpfen und die Welt kennen, wird reich, wird arm, ist bei einigen der wichtigsten historischen Ereignisse seiner Zeit dabei, findet alle Mörder, verliert ein paar Freunde und Frauen, findet aber neue, rächt sich an allen und ist am Ende fein raus. Wie's halt so läuft. Schema F lässt grüßen.

    Statt wie gewohnt mit Hintergründen und seiner eigenen Logik (in seinem Roman Troja waren es z.B. die wirtschaftlichen Gründe, die zum Krieg führten und nicht die schöne Helena) zu glänzen, greift Haefs hier nur an der Oberfläche die großen Tendenzen der Zeit auf. Die Verteidigung Wiens gegen die Türken, die Bauernkriege, Martin Luthers Wirken und das der Fugger und Welser sind die Eckpunkte der "Handlung". Als Spengler kurz vor Schluss noch einmal eben nach Amerika fährt, dort schnell einen der Gejagten richtet und samt Eingeborenen wieder nach Europa kommt, wird es einem eigentlich schon zu viel. Obwohl einige Kampfszenen gut gelungen sind, mangelt es doch an so wichtigen Aspekten wie Glaubwürdigkeit, Spannung, Wendungen, Perspektivwechseln. Die Rache des Kaisers ist ein historischer Roman. Aber kein guter. Haefs hat Eisenbahnschienen ausgelegt, den Zug "Jakob Spengler" draufgesetzt, den Autopiloten programmiert und per Knopfdruck den Zug abfahren lassen. In zehn Jahren wird es eine Software geben, die bessere Bücher schreibt.

    • Plot: Autopilot (2/5)
    • Action: Autsch (3/5)
    • Spannung: Augenwischerei (1/5)
    • Charaktere: Autisten (2/5)
    • Humor: Ausgenommen (0/5)
    • PASCH: (2/5)

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    Gisbert Haefs, Die Rache des Kaisers (2009)
    Taschenbuch: 416 Seiten
    Verlag: Goldmann Verlag (16. Mai 2011)
    ISBN-10: 3442475430


    Kronos, King und Kennedy (5/5)

    Stephen King, 11/22/63 (2011)

    Was wäre gewesen, wenn John F. Kennedy am 22. November 1963 nicht ermordet worden wäre? Dies ist eine der Fragen, von denen Stephen Kings Zeitreiseroman 11/22/63 lebt. Dazu kommen die für Zeitreisegeschichten üblichen Vermutungen über die Konsequenzen von Veränderungen in der Vergangenheit. Kann man den Lauf der Geschichte beeinflussen? Wie wirken sich Eingriffe in die Geschehnisse der Vergangenheit aus? Und warum sollten alle Vergangenheitstouristen unbedingt den Schmetterlingseffekt im Hinterkopf behalten?

    Der Roman beginnt im hier und heute. Der Lehrer Jake Epping ist mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden. Als Al Templeton, der Inhaber eines alten Diners, eines Tages Jake in das Geheimnis eines unglaublichen Phänomens in dessen Vorratskammer einweiht, ändert sich für Jake alles. Fortan spielen erst Al und Jake mit den Möglichkeiten, die ihnen eine wundersame Verbindung zur Vergangenheit bietet, herum. Sie retten Familien vor mörderischen Vätern und Mädchen vor Jagdunfällen.

    Kings Zeitreise basiert auf einer Art Blase, in der die beiden unterschiedlichen Zeiten, 2011 und 1958 miteinander verbunden sind. Nachdem Al bereits verstanden hat, wie man die Gegenwart manipulieren kann (und wo man konkurrenzlos billig Burgerfleisch besorgen kann), überzeugt er Jake, zu einer weit größeren Mission aufzubrechen. Präsident Kennedy soll vor seinem Attentäter Oswald gerettet und der schwarze Tag von Dallas revidiert werden: „Get rid of one wretched waif, buddy, and you could save millions of lives.“

    Leider führt der Tunnel in die Vergangenheit immer nur zu einem spezifischen Datum und so muss Jake, der in der Vergangenheit zu George Amberson wird, fast fünf Jahre seine Mission vorbereiten. Al sei Dank kann er dabei nicht nur auf minutiöse Unterlagen zum Leben Lee Oswalds zurückgreifen, sondern auch auf das ein oder andere Sportresultat. Mit Wetten lässt sich bequem Geld verdienen. Das wusste auch schon Marty McFly. Dass man jedoch nach zu auffälligen Wettgewinnen Ärger mit der Mafia bekommt, musste dieser nicht erfahren.

    King hat einen guten Zeitreiseroman geschrieben. An vielen Stellen fließt Nostalgie nach den 50er und 60er Jahren aus den Seiten. Fast alles war anders, vieles besser, manches schlimmer (der von Giftefeu gesäumte Pfad zum Brett über dem Fluß). Die Geschichte ist klar strukturiert, das Ende (sonst nicht Kings Stärke) erstaunlich gut. Es gibt leider nur wenige Überraschungen, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Neben dem Oberschurken Oswald tummeln sich noch andere böse Gestalten und Albträume durch das Land des Gewesenen. Dazu kommt ein erstaunlich trockener und böser Humor, der einem über die ein oder andere Länge hinweghilft.

    Zeit ist zentral; auch was die Länge des Buches betrifft. Mit Seiten hat King noch nie gespart. 11/22/63 ist trotzdem ein schnell zu verschlingendes, spannendes und intelligentes Buch. Für Freunde der gepflegten Zeitreise ist Jake Eppings Abenteuer ein Genuss – nicht nur in der Urlaubszeit.

    P.S.: Hintergrundinfos zum Verreisen entlang des Zeitstrahls bietet übrigens: Blask u. Windhorst, Zeitreisen, 2009.

    • Plot: Klar und gut (4/5)
    • Action: Einziger Schwachpunkt (2/5)
    • Spannung: Wie die Zeit vergeht! (5/5)
    • Charaktere: Epping rettet JFK vor LHO (5/5)
    • Humor: Zeit zu lachen (5/5)
    • PASCH: (5/5)
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    Stephen King, 11/22/63.
    Format: Kindle Edition
    Dateigröße: 1280 KB
    Seitenzahl der Print-Ausgabe: 866 Seiten
    ISBN-Quelle für Seitenzahl: B0064I1KGA
    Verlag: Hodder (5. Juli 2012)
    ASIN: B005LCYR7Y


    Nebenjob Vampirjäger (3/5)

    Seth Grahame-Smith, Abraham Lincoln: Vampire Hunter (2011)

    "Abraham Lincoln: Vampire Hunter" ist eine fiktive Ergänzung zur Biographie Abraham Lincolns. Die Geschichte entwickelt sich entlang des Lebenslaufs des 16. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Was viele nicht wussten: Abraham Lincoln war Zeit seines Lebens Vampirjäger.

    Wie er dazu wurde und was für Methoden er anwendete (die berühmte Axt des "rail splitters" etwa), verknüpft Autor Seth Grahame-Smith interessant und an vielen Stellen innovativ mit der gesicherten Überlieferung des Lebens von "Old Abe". Die Geschichte lebt von der guten Idee, die dem Roman zugrundeliegt. Das Gerüst der beschriebenen Geschehnisse ist unterhaltend und an vielen Stellen erscheint die Erklärung, dass an der einen oder anderen Stelle Vampire ins Räderwerk der amerikanischen Geschichte eingegriffen haben, recht plausibel. Leider gelingt es Grahame-Smith nicht, dieses Gerüst mit der Spannung und Liebe zu füllen, die seiner Grundidee innewohnt. Wie auch bei "Pride and Prejudice and Zombies" fasziniert zwar der Gedanke, dass gruselige und geheime Gestalten im Hintergrund Einfluss ausübten. Leider ist die Story jedoch an vielen Stellen zu langatmig und zu beschreibend geraten. Den größten Aha-Effekt hatte ich eigentlich schon beim Lesen der Buchbeschreibung. Was zwischen den Buchdeckeln passiert, kommt da leider nicht mehr ran.

    Klar: Auf jedes beliebige Ereignis in Lincolns Leben lässt sich die Erklärung mit den Vampiren im Hintergrund nicht anwenden. Das heißt aber nicht, dass jedes Ereignis, auf das sich die Erklärung anwenden lässt, unbedingt verwertet werden muss. Ein paar größere Sprünge, ein paar längere Pausen hätten der Dramaturgie gut getan. Dadurch hätten zum Beispiel weniger Auseinandersetzungen mit Vampiren geschildert werden können diese aber dann dafür aber umso intensiver. Die wunderbare Grundidee wäre dadurch nicht verloren gegangen.

    Was bleibt ist ein schönes Crossover für alle, die sich für die Geschichte der Vereinigten Staaten interessieren, die Vampirgeschichten etwas abgewinnen können und die einen Faible für gut konstruierte Verschwörungstheorien haben. Was dem nächsten Roman von Grahame-Smith (Washington der Werwolf? Franklin und die Aliens?) gerne noch hinzugefügt werden darf, sind bessere Dialoge, spannendere Actionszenen und ein etwas weniger linearer Verlauf der Erzählung.

    Die Verfilmung des Buchs kommt noch in diesem Jahr in die Kinos. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Spielberg-Produktion, in der Liam Neeson Lincoln mimen wird.

    • Plot: Verschwörung (3/5)
    • Action: Vampire (3/5)
    • Spannung: vage (2/5)
    • Charaktere: Vampire (4/5)
    • Humor: Vitzig (3/5)
    • PASCH: (3/5)

    P.S.: Die besten Romane mit Vampiren sind und bleiben damit die Bücher der Joe Pitt-Reihe von Charlie Huston. Der ist eh der beste.
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    Seth Grahame-Smith, Abraham Lincoln: Vampire Hunter
    Taschenbuch: 352 Seiten
    Verlag: Grand Central Publishing (15. März 2011)
    ISBN-10: 1455500224

    Morgen! Gut geschlafen? (2/5)

    James Patterson, I, Alex Cross (2010)

    Alex Cross ist Vater, Ermittler und Supercop, wie man ihn ganz selten trifft. Nicht nur sein Familienleben ist harmonisch, sondern auch seine Ermittlungen. Das einzig Bewegende an diesem "Thriller" ist die ungewollte Ironie, dass die Oma von Cross künstlich am Leben erhalten werden muss. Dass sie am Ende noch die Kurve kriegt, steht aber in keinem Zusammenhang mit der langweiligen Geschichte, die man hier erzählt bekommt. Genau wie seine Großmutter kauert James Pattersons Held seit einigen Romanen an der Schwelle zum klinischen Tod. Allein, er kommt nicht rein ins Nirwana der Top-Profiler.

    Der Plot wäre schnell erzählt, wenn es einen gäbe. Wenn Morde nicht mehr funktionieren, Brutalität nicht mehr zieht und perverse Sexspiele keinen mehr hinter dem Ofen vorlocken, dann kombiniert man die drei eben rasch. Patterson ist gewiss nicht der einzige, der dies tut. Ihm gelingt es aber diese drei - ja doch eigentlich irgendwie schon sehr aufladbaren Begebenheiten - so lustlos herunterzuspulen, dass es wirklich und wahrhaftig schwer fällt, wachzubleiben. Wenn andere amerikanische Krimis als Pageturner beschrieben werden, dann ist dass hier ein Müdeturner.

    Also, wer Schlafmangel hat, wendet sich am besten an Dr. Cross. Der hat genau das richtige.

    • Plot: War was? (2/5)
    • Action: Ach so, na klar, aha (2/5)
    • Spannung: gähn (1/5)
    • Charaktere: schnarch (1/5)
    • Humor: definitiv unfreiwillig (2/5)
    • PASCH: Wurst (2/5)

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    James Patterson, I, Alex Cross
    Taschenbuch: 480 Seiten
    Verlag: Arrow (10. Juni 2010)
    ISBN-10: 0099514591


    Bombe (4/5)

    Dmitry Glukhovsky, Metro 2033 (2008)

    Der postapokalyptische Roman "Metro 2033" folgt dem jungen Mann Artyom bei dessen Odyssee durch das Moskauer U-Bahn-System. Die Welt, die Autor Dmitry Glukhovsky beschreibt, ist im wahrsten Sinne des Wortes in sich geschlossen. Die Abenteuer Artyoms erinnerten mich an vielen Stellen an Bilbos Reise zum Einsamen Berg.

    Ein bleibender Eindruck (4/5)

    Lee Child, Worth Dying For (2010)

    Jack Reacher ist zurück. Dabei schafft der toughe Ex-Militärpolizist erstmals das, wovon jeder seiner Fans bislang wusste, dass es ihm unmöglich ist: Er ist richtig schnell. So schnell, dass dieser neue Teil der Serie bemerkenswert früh nach dem letzten Teil erscheint. Leser des letzten Streichs von Reacher ("61 Hours") wussten aber schon, dass Teil 15 der Saga so bald publiziert werden würde. War dieser doch nicht nur im letzten Buch angekündigt, sondern auch durch einen fiesen Cliffhanger - den ersten der gesamten Serie - nötig geworden. Hier setzt auch gleich der erste Kritikpunkt an. Wenn es schon einen Cliffhanger, also einen abrupt unterbrochenen Spannungsbogen am Ende eines Teiles, geben muss, dann (***SPOILER ANFANG) würde ich mir doch wünschen, dass der nächste Teil irgendwie daran anknüpft. Das ist aber hier so gut wie gar nicht der Fall. Reacher tun zwar am Anfang noch ein bisschen die Ärmchen weh, was aber dank der Hilfe des Doktors schnell behoben wird. Für diesen sinnlosen Cliffhanger gibt es dann auch den ersten halben Stern Abzug.

    Der nächste halbe Stern entgeht der Kampfmaschine aus Berlin auch wieder aus einem Grund, für den er eigentlich nicht so recht etwas kann: Seine Feinde haben in diesem Teil einfach nicht das Format, das die letzten hatten. Wer erinnert sich nicht gerne an Hook Hobie (Tripwire), die verrückte Afghanin (Gone Tomorrow) oder natürlich an Plato (61 Hours) - da können die Duncans beileibe nicht mithalten und auch von den Syrern und Iranern hätte ich mir ein bisschen mehr versprochen. (SPOILER ENDE***)

    Die vier von fünf Sternen hat sich dieses Buch verdient, weil es genau das gehalten hat, was man sich von einem Lee Child-Buch verspricht. Das sind (1. Stern) Spannung, (2. Stern) ein wunderbar und mit viel Liebe konstruierter Plot, (3. Stern) ein Protagonist, mit dem man sich identifizieren will, bei dem man aber vorsichtshalber vorher noch einmal nachfragen würde, ob ihm das Recht ist und (4. Stern) ein minimalistischer aber in Erinnerung bleibender Stil, der den Leser in einen Winkel Amerikas mitnimmt, den man sonst nicht besuchen würde.

    Wer die Reihe liebt, also eine "Reacher Creature" ist, wird den Teil lesen oder hat ihn schon durch. Wer Jack Reacher noch nicht kennt, kann eigentlich mit jedem Teil einsteigen - die charakterliche Entwicklung Jack Reachers ist vergleichbar mit der eines großen grauen Steins.

    Übrigens: (***SPOILER ANFANG) Der "bleibende Eindruck" aus der Überschrift bezieht sich auf Reachers Nase und beendet deren Karriere als ungebrochenen Stolz ihres Träger. (SPOILER ENDE***)

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    Lee Child, Worth Dying For
    Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
    Verlag: Transworld Publishers (30. September 2010)
    ISBN-10: 0593065662















    Nice! Will. (4/5)

    Carsten Stroud, Niceville (2012)

    Niceville. Das ist ein typisches kleines Städtchen im tiefen Süden der USA. Typisch? Eigentlich nur, wenn man nicht genauer hinschaut. Seit vielen Jahren verschwinden hier überdurchschnittlich viele Menschen spurlos. Die Geschichte beginnt damit, dass ein kleiner Junge quasi vom Erdboden verschluckt wird. Wenige Seiten später kommt es zu einem äußerst blutigen Ende einer Verfolgungsjagd, bei der eine Gruppe von Bankräubern ihren Häschern entkommt. Mittlerweile lässt ein perverser Misanthrop seinen Frust solange an Schwächeren aus, bis er sich mit den Falschen anlegt.

    Wem das noch nicht genug Geschichten in einem Buch sind, der kann sich auf Byron Deitz und seine Verstrickungen mit den Chinesen freuen. Deitz ist außerdem verschwägert mit dem wichtigsten Ermittler im Falle des eingangs verschwundenen Jungen. Dieser Junge taucht eines Tages an einem recht obskuren Ort wieder auf und befeuert damit erneut die dunkle Legende des Fluchs, der auf dem kleinen Städtchen liegen soll und vor dem selbst die Indianer nicht sicher waren noch sicher sind.

    Dass dies alles funktioniert, ist dem großen handwerklichen Geschick Strouds geschuldet. Die Kapitelüberschriften, die angenehmen, abwechselnden Längen der Kapitel ergänzen die große Stärke des Romans: seine Charaktere. LESERSTRAHLEN hat lange nicht mehr so viele harte Männer und so gute Schurken erlebt. Nimm dir ein Beispiel, Barry Eisler!

    Wo so viel Licht scheint, da ist doch sicher auch Schatten zu finden, oder? Leider ja. Der Roman schwächelt an seiner gruseligen Flanke. Denn immer dann, wenn der Horror wichtig wird, kommt es doch wieder zu ganz banaler Action, die so gar nicht im Reich der Toten spielt. Und, entre nous, richtig gegruselt hat’s mich nicht. Joe Hill hat die Verbindung aus starken Charakteren mit guter Story und funktionierendem Plot mit seinem Roman Blind deutlich besser verwirklicht. Wem aber ein bisschen Horror, übernatürliche Sequenzen und Unerklärliches nicht den Spaß an knochentrockner Action vermiesen, dem sei in diesem Sommer ein Ausflug nach Niceville wärmstens ans Herz gelegt.

    Ach ja, zwar deutet im Roman nichts darauf hin, dass die Geschichte noch weitergeht. Anscheinend soll Niceville aber der Auftakt einer Trilogie gewesen sein.

    • Plot: Gut: Storys getrennt aber zusammenhängend; angenehme Kapitellängen und -strukturen; die Mischung aus Action und Horror funktioniert; Schlecht: das Ende: (3/5)
    • Action: Sniper, Duelle, Verfolgungsjagden, Erscheinungen (4/5) 
    • Spannung: Das gewagte Experiment, Horror und Action zu mischen, funktioniert erstaunlich gut. (4/5)
    • Charaktere: Volltreffer: Byron Deitz, Coker, Danziger, Merle Zane: Nicht nur die Namen bleiben hängen. (5/5)
    • Humor: Die Stärke von Stroud ist der lakonische Kommentar und der trockene Humor seiner harten Jungs. Am lustigsten sind die Erlebnisse des Perverslings (nomen est omen) Bock (4/5)
    • PASCH: (4/5)

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    Carsten Stroud, Niceville.
    Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
    Verlag: Knopf (12. Juni 2012)
    ISBN-10: 030770095X


    http://violininavoid.files.wordpress.com/2012/06/niceville-by-carsten-stroud.jpg?w=201&h=300

    Hinein in den Sog (5/5)

    Adrian McKinty, Dead I Well May Be (2009) [DEAD-Trilogie Teil 1]

    Michael Forsyth flüchtet aus dem gewaltgezeichneten nord-irischen Belfast der frühen 90er Jahre in das gewaltgezeichnete New Yorker Harlem der frühen 90er Jahre. Anstatt im Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken aufgerieben zu werden, der sich oft nur um einige Straßenzüge erstreckt, beginnt Michael eine irisch-amerikanische Verbrecherkarriere in einem Konflikt, der sich oft nur um einige Straßenecken erstreckt. Angekommen in Harlem macht der unehrenhaft entlassene Ex-Soldat den Fehler, eine Affäre mit der Freundin seines Bosses zu beginnen. Die perfide Rache des gehörnten Mafiosi schleudert Michael in eine Welt voll Schmerz und Leid.

    Wer nach einem Viertel des Buches mit einer klassischen New Yorker Gangsterballade gerechnet hat, muss sich noch eine Zeitlang gedulden. Denn bevor es soweit ist, gerät Michael in den Schlund der Charybdis Mexiko. Wie der Taucher in Schillers gleichnamiger Ballade durchlebt Michael den Horror einer ihm fremden Welt. Die packend erzählte Geschichte seines Aufenthalts in Mexiko, den er nicht unbeschadet übersteht und der Wunsch nach Rache treiben die Geschichte unbarmherzig voran. Wohl selten war dieser Wunsch nach Rache nachvollziehbarer. Michael Forsyth wird quasi zum "Belfaster Ben Hur Harlems".

    McKinty hat mit Michael Forsyth einen glaubwürdigen Protagonisten geschaffen. Die Zeichnung des New Yorker Stadtteils Harlem, bevor ein Ex-Präsident hier sein Büro bezog und Bürgermeister Giuliani die Stadt aufräumte, ist stimmig und schafft eine merkwürdig nostalgisch anmutende Atmosphäre der Brutalität und des Elends.

    Wer abgehärtet-einzelgängerische Protagonisten mit einem Schuss Nachdenklichkeit mag und selbst in die Atmosphäre einer untergegangenen Welt Harlems eintauchen möchte, sollte sich an Reiseführer McKinty und den Auftakt seiner Dead-Trilogie halten. 5 Sterne!


    • Plot: Glaubwürdig von Belfast nach Harlem nach Mexiko (5/5)
    • Action: Autsch (5/5)
    • Spannung: Wird er es schaffen? (5/5)
    • Charaktere: Gute Schurken (5/5)
    • Humor: Wenn lustig, dann richtig. (5/5)
    • PASCH: (5/5)

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    Adrian McKinty, Dead I Well May Be
    Taschenbuch: 306 Seiten
    Verlag: Profile Books (9. Juli 2009)
    ISBN-10: 1846686997